Weltkulturerbe verspielt?

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Ein Fußballstadion soll neben das Salzburger Schloss Kleßheim mit seinem barocken Garten gebaut werden. Kann diese Verschandelung verhindert werden?

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Ein Fußballstadion soll neben das Salzburger Schloss Kleßheim mit seinem barocken Garten gebaut werden. Kann diese Verschandelung verhindert werden?

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Hatte die Stadt Salzburg nicht soeben erst ihre Einreihung ins "Weltkulturerbe" gefeiert? Ja, gewiss, aber das Barockschloß Kleßheim, das jetzt hinter einem mächtigen Fußballstadion verschwinden soll, liegt haarscharf außerhalb des Stadtgebietes. Wenn auch im Land Salzburg, dem einstigen Fürsterzbistum, dessen aristokratische Herrscher es mit vielen Schlössern und Burgen ausgeschmückt haben. Es trifft sich, dass vor genau 300 Jahren der große Architekt Johann Bernhard Fischer von Erlach "La Favorita" vollenden konnte. Er hatte die größte Schlossanlage der Erzbischöfe außerhalb der Residenzstadt auf einem sanften Hügel so gebaut, dass man einen weiten Blick auf die Stadt hin hatte. Gewiss, seither ist viel dazwischen gebaut worden. Aber ein weiter Park mit anschließendem Landschaftsschutzgebiet lässt doch noch die großzügige, naturnahe Anlage erkennen.

Nichts da, Salzburg braucht ein Fußballstadion, das größte nach Wien. Vielleicht wird dann die lokale Elf mit Heimvorteil bessere Ergebnisse er zielen, als jüngst die Niederlage gegen eine moldawische Mannschaft.

Man hatte lange nach einem Bauplatz gesucht, war von Bürgerinitiativen abgeschmettert worden und endlich in der Gemeinde Wals gelandet, die das Rezept kennt, aus brutaler Zersiedelung Wertschöpfung zu ziehen. Den ersten Preis gewann ein Düsseldorfer Architekten-Büro. Das Stadion sollte so elegant in die Erde eingebaut werden, dass es nur acht Meter herausragt. Tragbar. Aber nicht durchführbar. Der hohe Grundwasserspiegel hätte eine Millionen teure Wanne erfordert. So viel wollte man nun auch nicht ausgeben. Also Umplanung - in die Höhe.

200 Meter - so lang wie die Salzburger Festspielhäuser - 180 Meter breit und 19 Meter hoch ist das Monstrum gedacht, das zwecks besserer Wirtschaftlichkeit auch Gaststätten und ein Einkaufsparadies umfassen soll. Und viele, viele Parkplätze. Der Landschaftsschutz war schnell gestrichen, nun wollte man in Ruhe planen. Also verpflichtete der Landeshauptmann alle ihm unterstellten Beamten zum Stillschweigen, konnte auch den Erzbischof bewegen, auf seine Geistlichkeit entsprechend einzuwirken. Die Pläne blieben unter Verschluss. Auch das vernichtende Naturschutz-Gutachten. Eine Baumaske, die das ganze Ausmaß der Verschandelung verraten hätte, wurde wegen zu hoher Kosten verweigert - auch als sich dafür ein Sponsor fand. Trotz allem regte sich Widerstand. In kurzer Zeit wurden 33.000 Unterschriften gegen das Projekt gesammelt, die Ablehnungsfront reicht von Historikern, Festspielleitern und Kulturfunktionären aller Art bis zu den ländlichen Sportvereinen, die vom Landeshauptmann für ihren aktiven Sport bei weitem nicht so weitherzig gefördert werden, wie der passive Massensport, von dem man sich Wählerstimmen erhofft.

600 Ärzte haben gegen die Ersetzung eines Naherholungsgebietes durch eine Wallfahrtstätte für motorisierte Massen protestiert. Wer zu laut danach fragt, zu wessen Nutzen das Einkaufs- und Vergnügungszentrum gebaut wird, muss mit Klagen rechnen. Die lokale Presse ist verschwiegen. Sie veröffentlichte nur eine ganzseitige Anzeige der Bürgerinitiative, wo über vielen prominenten Unterschriften eine Computer-Simulation des Verhängnisses zu sehen war.

Die Abwehr-Front zieht ihre Hoffnung aus der Geschichte: Nach dem Ende des reichsunmittelbaren Fürstentums in der in der Zeit Napoleons war Salzburg zur Provinzstadt geworden. Kaiser Franz Joseph schenkte ihr die Festung Hohensalzburg, die ja für Verteidigungszwecke ausgedient hatte. Der Gemeinderat beschloss 1867 einstimmig, sie auf Abbruch zu verkaufen. Ein einziger Rebell organisierte den Widerstand. 1959 war es wieder ein einzelner Querkopf, der den Abriss von 400 alten Bürgerhäusern in der Salzburger Altstadt verhinderte: Der Aufschrei des Kunsthistorikers Hans Sedlmayer führte zur Gründung der "Altstadt-Erhaltungskommission" und dadurch zum "Weltkulturerbe".

Schloss Kleßheim hat seit dem Ende des geistlichen Fürstentums viel erlebt. Halb verfallen schenkte es 1866 der Kaiser seinem jüngeren, etwas exzentrischen Bruder Ludwig Viktor, der sich noch ein beheizbares Winterpalais dazubauen ließ und sich 50 Jahre dem Sammeln von Kunstwerken und Photographien widmete.

Als durch die Einigung Italiens gegen Ende des 19. Jahrhunderts der Kirchenstaat in Bedrängnis geriet, erwog der Kaiser, dem Papst hier ein vorübergehendes Exil einzurichten. 1940 wurde es "Gästehaus des Führers", wo prominent besetzte internationale Konferenzen stattfanden und wo Hitler nach dem "Endsieg" seine Friedensbedingungen diktieren wollte. Nun ist es ein Spielcasino. Das benötigt weder eine Aussicht auf die Stadt, noch lässt es sich durch Fußballfans stören. Im Gegenteil: Vielleicht möchten manche von den bis zu 32.000 Besuchern vor dem Nachhausefahren ein Spielchen wagen?

Wird es bald heißen: Weltkulturerbe verspielt?

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