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Häßlicher Boom

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Wenige Wochen, nachdem die Salzburger SPÖ ihr Konzept für die Landtagswahlen 1974 in Salzburg auf den Tisch gelegt hatte, in dem der Wohnbau einen nicht unerheblichen Teil einnimmt, veranstaltete auch Salzburgs ÖVP unter dem Vorsitz ihres Klubobmannes im neu eröffneten Kammergebäude eine Wohnbauenquete. Was Salzburgs ÖVP unter Landeshauptmann Lech-ner in den nächsten fünf Jahren, wenn sie wieder die Mehrheit im Salzburger Landtag stellt, zu machen gedenkt, verkündete Landeshauptmann Lechner als erster Beferent der groß angekündigten Enquete, die allerdings dann nur 40 Teilnehmer aufzuweisen hatte: die steigende Anzahl der Einpersonenhaushalte und der früher einsetzende Wohnungsbedarf der jungen Familien sowie die Unterbringung der Großfamilien sollten Prioritäten künftiger Lösungen im Salzburger Wohnungsbau haben.

Hatte man bisher von Salzburg immer nur Wohnbaurekordziffern gehört, und war Salzburg mit 14 Wohnungen (pro tausend Einwohner) im Vorjahr auch tatsächlich das führende Bundesland, zeigte sich nunmehr sowohl auf Grund der Aussagen des ÖVP-Landeshauptmanns wie des SPÖ-Programms, daß man in Salzburg mit dieser Wohnbauleistung nicht zufrieden ist. Grand für derart vorerst unbescheiden erscheinendes Verhalten dürfte die Tatsache sein, daß die jährliche Wohnbauiei-stung in Salzburg zwar zahlenmäßig erfreulich anmutet, daß aber tausende der in den letzten Jahren fertig-

gestellten Wohnungen eben nicht den Salzburgern direkt zugute kommen, sondern als Zweitwohnungen für In- oder Ausländer gebaut und gedacht waren.

Derartige Zweitwohnungen machten aber Salzburgs Wohnbau mehr zu schaffen, als man dies angesichts der stolzen Rekordziffern von geradezu deutschem Ausmaß vorerst annehmen würde. Denn der Zwedt-wohnungsbau im Bundesland Salzburg hat dazu geführt, daß

• die Baupreise in diesem Bundesland stärker gestiegen sind als anderswo,

• man in Salzburg bereits an die Verlegung des Flughafens denken muß, weil Grund und Boden im Bereich der Landeshauptstadt zu knapp geworden sind,

• der Sozialwohnungsbau angesichts großräumiger Wohnbauanlagen für Zweitwohnungen zurückgeblieben ist und daher Salzburg auch heute noch auf dem Sozialwohnungssektor einen quantitativen Fehlbestand aufzuweisen hat.

So ist es nicht verwunderlich, daß zwar in den letzten Jahren viele Wohnungen geschaffen wurden, daß aber Altersheime, Seniorenheime und Wohnraum für ältere Menschen überhaupt sowie Wohnraum etwa für Behinderte und Garconnieren für Krankenschwestern fehlen.

Ebenso fehlt aber nach wie vor angesichts der Ausweitung der Universität Salzburg Wohnraum für Studenten, Lehrer, Ärzte; aber auch Werkswohnungen für Fachkräfte in abwanderungsgefährdeten Gebieten

stehen noch auf der Fehlbestandsliste im Salzburger Wohnbau.

So ist es nicht verwunderlich, daß gerade jetzt Unzufriedenheit in der Öffentlichkeit angesichts der Wohnungssituation Platz greift. Bei den letzten Stadtgesprächen der ÖVP in einem Gasthof in Parsch geriet vor allem der ÖVP-Stadtparteiobmann, Professor Hans Zyla, in das Schußfeld der öffentlichen Meinung: hauptsächlich deswegen, weil Zyla mit seiner „Wohnungseigentums-Gesellschaft“ der größte Wohnungsbauer in Salzburg ist und dadurch am meisten im Blickfeld steht.

Angesichts der Großwohnanlagen, die gerade von den Wohnungsgesellschaften errichtet wurden und die das Stadtbild von Salzburg katastrophal beeinflußt haben (Parsch-Süd, die zu errichtende Wohnungsbauanlage in Herrnau, eine geplante Monsterwohnanlage an der Salzach in Aigen, die Verbauung der Rennbahngründe, der Schloßgründe Aigen, der Schlachthofgründe in Lehen und andere stehen im Schußfeld), forderte der Landeshauptmann in Hinkunft mehr Phantasie, Flexibilität und Variabilität: „Zur Wohnungsqualität gehören auch die Qualität des ganzen Wohnviertels, die Möglichkeit der Anknüpfung sozialer Kontakte, Kommunikationsund Freizeiteinrichtungen, Hobbyräume und Kindergärten.“

Die verstärkte Förderung des Eigenheimbaues macht Salzburg auch zu schaffen, weil in den Gemeinden noch immer nicht die entsprechenden Bebauungspläne vorliegen. So konnte sich ein Bürgermeister nicht der Frage enthalten, „wie denn nun die verstärkte Förderung des Eigenheimbaues und der Kampf gegen die Verhäuselung und Verhüttelung miteinander in Einklang zu bringen seien“.

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