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Chabrol und Warhol

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Seit die „Neue Welle“ Ende der fünfziger Jahre eine neue Stilrichtung schuf, zählt der Franzose Claude Chabrol zu den am meisten bewährten und geschätzten Regisseuren der internationalen Film- • szene. Von seinen faszinierenden Frühwerken „Le beau Serge“ und „Les Cousins“ zieht sich bis zu seinem jüngsten Opus „Die verrückten Reichen“ eine Kette von etwa 20 FUmen, in denen sich Chabrol vor allem als kritischer Chronist des Bürgertums präsentierte.

Wir sahen die meisten seiner FUme im Kino, auch die schwächeren Kommerzstreifen, die er in der ersten Hälfte der sechziger Jahre schuf, während anspruchsvollere Werke nur via Fernsehschirm den Weg zum hiesigen Publikum fanden.

Chabrol zeigt neben einem an Hitchcock geschulten Blick für kriminalistische Enthüllungen eine ironische, gesellschaftliche Ader. Diese ist in den „Verrückten Reichen“ (Folies Bourgeoises) sicher stark intendiert, kommt aber nicht in gleichem Maße zum Tragen. Die exzentrischen Spiele der materiell und gesellschaftlich Arrivierten sind hier allzusehr eitler Selbstzweck, der bis zum Kitsch und Nonsens geht, ohne mit jener Schärfe, die man von anderen Cha- brol-FUmen gewohnt ist, die Lebenshaltung der Hautevolée satirisch zu entlarven. Sicher gibt es auch hier - besonders in den Tag- und Wunschträumen eines einander betrügenden Ehepaares - manche amüsante Pointen, auch gewinnt der Streifen gegen Schluß an menschlicher Substanz, aber insgesamt bietet er nur ein mattes, enttäuschendes Vergnügen. Und dies trotz prominenter Besetzung mit Chabrols Gattin Stéphane Audran, dem neuen Hollywoodstar Bruce Dem, Jean-Pierre Cassel, Ann Margret und Sydne Rome. In einer winzigen Rolle sieht man Curd Jürgens, in einer - leider! - größeren Maria Schell, die einen Schweizer Küchentrampel ganz im Bereich der Schmiere ansiedelt.

*

Gar nicht enttäuscht kann man wohl von Andy Warhol werden, was durchaus in negativem Sinne zu verstehen ist. Aus der „factory“ des sich offenbar für einen Universalkünstler haltenden Amerikaners kommen immer wieder Filme, die in seiner Produktion, aber meist nicht unter seiner Regie entstanden sind. So ist er als Filmbestseller vor allem durch „Flesh“ und „Trash“ bekannt geworden, während bei anderen Produkten, wie einer Frankenstein- oder Dracula-Ver- sion, aus Kommerzgründen einfach sein Name im deutschen Titel vorangestellt wurde.

Während in diesen Streifen Horror und Sex in meist recht unappetitlicher Weise ausgekostet wurden, geht es in „Andy Warhols Bad“ nicht etwa um einen Akt der Reinigung oder Selbstreinigung, sondern „bad“ ist hier einfach das englische Wort für „schlecht“ oder „böse“. Denn das nebenberufliche Service einer New Yorker Kosmetikerin, die - durchwegs von jungen Mädchen - kriminelle Kundendienstaufträge, vom „Denkzettel“ bis zum kaltblütigen Mord an Erwachsenen, Babys und auch Tieren ausführen läßt, gehört wohl zum Bösesten, was jemals auf der Leinwand zu sehen war. Hiebei gerät die Darstellung von Scheußlichkeiten menschlichen Handelns zum genüßlichen Selbstzweck, eine Entlarvung perverser Grausamkeit findet kaum statt, und schwache Alibiansätze in humaner Richtung genügen nicht, um dem Film eine sozialkritische Relevanz zu geben. Er ist einfach das Zeugnis einer zutiefst sadistischen Geisteshaltung und hat auch formal keinerlei besondere Meriten aufzuweisen.

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