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Kann man?

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Man kann darüber reden. Über die Tatsache nämlich, daß ein Thema von großer Peinlichkeit und kaum zu überbietender Morbidität nichts zu tun hat mit der Virtuosität seiner Darstellung und der Perfektion seiner Gestaltung. Dies sei deshalb vorausgeschickt, weil der Großteil des Publikums,

in Österreich mehr als anderswo, nur Vorgänge sieht, nur Handlungsabläufe, und dementsprechend urteilt. Die Rede ist hier von Claude Chabrols „Les Biches“ (ins Deutsche dumm, wie immer, übersetzt mit „Zwei Freundinnen“), die wir längst vergessen hatten, seit sie in den Kinos gezeigt und als Skandalfilm propagiert wurden, und die nun kürzlich wieder in FS 2 zu sehen waren. Diese Geschichte von einer lesbischen Beziehung, ihrer Zerstörung durch einen sehr ungeistigen und nüchtern-tüchtigen Mann-Mann, diese Geschichte von abgefeimter weiblicher Rachsucht, mit der kein männliches Gehirn je zu Rande kommt und die am Ende, kraft spiralenförmi-ger weiblicher Logik, in ihr Gegenteil umschlägt und dort landet, wo sie nicht landen wollte, bei Mord und Totschlag nämlich, und bei der naiv-raffinierten Annahme, man könne sich mit Hilfe von Kleidern, Schmuck, Kosmetik und Tonfall in die geliebt-gehaßte andere verwandeln, man sei austauschbar und unterschiebbar — diese ganze anrüchige Geschichte konnte, ohne ins Unerträgliche zu geraten, wahrscheinlich nur von einem Franzosen geschrieben und von einem Franzosen verfilmt werden. Chabrol brachte das letztere fertig. Was immer er sich dabei gedacht haben mag — er dachte sich viel dabei. So wußte er etwa über die Anfänge, die sonst recht schleppend geraten wären, dadurch hin-uiegzukommen, daß er zwei „Hofnarren“ ins Spiel brachte, zwei groteske, völlig unerotische Schmarotzer, die sich, sobald sie auch als Fährtenhunde benützt werden, sehr rasch als direkte geistige Nachkommen von Shakespeares Rosenkrantz und Gyldenstern entpuppen. Solche Geier sammeln sich, wo Aas liegt, und sie treten stets zu zweit auf. Aber wem schon offenbarten sich all diese Finessen und Verschlüsselungen? Produziert Chabrol solipsistisch nur zu seiner eigenen ästhetischen Erleichterung?

Man kann auch zum soundsovielten Male Marilyns „River of no return“ ansehen, diesen klassischen Kitschfilm mit dem ansprechenden Titel, der im Laufe der Jahrzehnte immer kitschiger wird — man kann, denn die Monroe war immerhin ein historisches Phänomen, auch wenn man von ihren inzwischen mehr oder weniger offenbar gewordenen Beziehungen zur Dynastie Kennedy absieht. Sie wirkte zu ihrer Zeit stilbildend wie ihr europäisches Gegenstück Brigitte Bardot, die allerdings intelligenter war und die heute noch lebt, während die Monroe sich ins Geheimnis verflüchtigte: in das Geheimnis einer Überdosis von Schlafmitteln und in das Geheimnis der ersten Ziffern einer Telefonnummer, die sie verlöschend wählte und die im Räume hängenblieben wie ein undeutlicher Fingerzeig.

Aber man kann auch auf „Hawaii Fünf-Null“ umschalten, diese Krimiserie, die eigentlich gar nicht so schlecht ist, weil sie sich mit den Schrecknissen eines Tropenparadieses befaßt, das die Amerikaner in eine ihrer Kitschhöllen verwandelt haben. Diesmal ging es wieder einmal um die Rückständigkeit überseeischen Strafvollzugs.

Man kann somit auswählen in diesem Sommer. Kann man?

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