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„Combattant“ geht

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Tunesiens Ministerpräsident Hėdi Nouira ist der designierte Nachfolger des seit 1956 amtierenden gegenwärtigen Staatschefs Habib Bourguiba Mit diesem auf Vorschlag des „Suprėme Combattant“ gefaßten Beschluß endete kürzlich in Monastir der dreitägige achte Kongreß der sozialistischen Einheitspartei „Destour“ des nordafrikanischen Landes. Es war der erste Parteitag seit 1964, und in dieser Tatsache spiegeln sich die seither niemals ganz überwundenen innenpolitischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten Tunesiens.

Habib Bourguiba ist ein schwerkranker Mann, und manche bezweifeln, daß er den selbstgewählten Rücktrittstermin in zweieinhalb Jahren noch erlebt. Sein schlechter Gesundheitszustand erforderte bereits mehrfach längere Auslandsaufenthalte. Sein Prestige und seine Machtstellung wurden dadurch, obgleich er zuvor schwere inner- und sozialpolitische Fehler machte, allerdings nicht beeinträchtigt. Das spricht für die Festigkeit der von ihm herbeigeführten stabilen politischen Verhältnisse. Je kranker und entscheidungsunfähiger der Präsident wurde, um so mehr erhöhten sich jedoch Unsicherheit der politischen Führungselite und Unzufriedenheit der Bevölkerung in dem in den letzten Jahren zum europäischen Ferienparadies gewordenen Land. Spät, doch nicht zu spät, erwies sich der „Suprėme Combattant“ jetzt doch noch als treusorgender Familienvater und bestellte zu seinen Lebzeiten sein Haus. Mit der Ernennung des gewiegten Polittaktikers Nouira zum Nachfolgekandidaten besteht wenigstens die Chance zu einer erschütterungsfreien Überleitung von der zu Ende gehenden

Ära Bourguiba in den Zeitabschnitt ohne den Staatsgründer.

Mit Habib Bourguiba geht einer der interessantesten und bedeutendsten arabischen Staatsmänner von der Bühne des Vorderen Orients. Nur die relative Kleinheit seines Heimatlandes und dessen ungünstige geopolitische’Lage mögen verhindert haben, daß er mit Gamal Abdel Nasser und anderen Anwärtern auf eine Führungsrolle in der Panarabischen Bewegung konkurrieren konnte. Der fast 70jährige Berufspolitiker, der an ersten französischen Instituten erzogen wurde, war ursprünglich Advokat. 1956, nach der Erlangung der staatlichen Selbständigkeit Tunesiens wurde er Premierminister und ein Jahr darauf, nach der Absetzung des alten Beis von Tunis, Staatspräsident. Seine Herrschaft orientierte sich zwar an den quasi-despotischen Vorbildern der arabischorientalischen Umwelt. Doch er wurde immer von seinem Volk nicht nur verehrt, sondern geliebt, in Tunesien gibt es traditionell mehr politische Freiheiten als in jedem anderen arabischen Land, und Bourguiba bescherte dem Land eineinhalb Jahrzehnte fast ungetrübter politischer und wirtschaftlicher Stabilität. Seine Abwehr gegen die ägyptischen Hegemoniebestrebungen und sein Eintreten für die Anerkennung der vollendeten Tatsachen in Palästina isolierte ihn lange in der fanatisierten arabischen Umwelt.

Unter dem Einfluß des mit ihm befreundeten linksgerichteten Politikers Achmed Ben Salach und wohl auch beeindruckt von dem allgemeinen sozialistischen Trend in der arabischen Welt, tolerierte Bourguiba seit Beginn der sechziger Jahre den Versuch zur Umstrukturierung der tunesischen Gesellschaft nach östlichem Muster. Der Versuch scheiterte am Widerstand der Großgrundbesitzer (Bourguibas zweite Frau stammt aus diesen Kreisen und mag den späteren Gesinnungswandel des Staatschefs erleichtert haben) und am bedenkenlosen Vorgehen des Planungsministers Ben Salach. Im vorigen Jahr wurde dieser abgesetzt und in einem Schauprozeß abgeurteilt. Das Ergebnis des steckengebliebenen Experimentes war eine Vertrauenskrise zwischen Staatschef und Bevölkerungsmehrheit, Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Krisenerscheinungen. Beide sind noch nicht überwunden.

Bourguibas designierter Nachfolger stammt aus der tunesischen Arbeiterbewegung. Der Sechzigjährige begann als Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes. Er gilt als gewiegter Sozialpolitiker und Wirtschaftsfachmann, doch manche seiner Kritiker halten ihn für zu weich für das höchste Staatsamt. Seine frühzeitige Nominierung zum Nachfolger Bourguibas dürfte ihm jedoch Gelegenheit geben, sich noch mehr zu profilieren. Sollte er sich durchsetzen können, dürfte das nicht nur den wirtschaftlichen und sozialen Gesundungsprozeß fördern. Die bisherige Innen- und Außenpolitik Tunesiens dürfte dann kontinuierlich fortgesetzt werden.

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