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Das „Neue Sparen“

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Man hatte ja schon längere Zeit das Gefühl, daß nun endlich einmal etwas Neues, etwas ganz Neues getan werden müsse, um die dahinkriselnde Volkswirtschaft wieder auf Wohlstandstouren zu bringen. Aber was man da so unklar und undeutlich vermutete, machte einem erst die seit Monaten ersehnte Erklärung des Regierungschefs „Zur Lage des Bundeskanzlers“ vor der vollzählig angetretenen Inlands- und Auslandspresse klar und deutlich.

Man wäre nun, so wurde vom „Alten“, wie man ihn respektvoll nannte, eingeleitet, in einer zwar durch diese Regierung nicht verschuldeten, aber nichtsdestoweniger ganz schlimmen Wirtschaftssituation: Alles wäre einem — unvermutet — über den Kopf gewachsen, die Ausgaben vor allem. Und da hülfe eben nur eines, was ja auch jedes Hausmüt-

terchen und jeder Familienvater wisse, und was demnach wohl auch richtig sein müsse: Sparen.

Dies müßten „wir alle“ tun, und damit der einzelne Staatsbürger bei dieser schwierigen Aufgabe nicht gänzlich allein gelassen würde — wie könne er wissen, wo und wann er was sparen solle, könne, dürfe? — habe er, zusammen mit der Bundesregierung, ein völlig neues Konzept, den „Bundessparplan 2000“, entwickelt. Heute ginge es nicht länger um das traditionelle Sparen, das Zurücklegen von Geld, das Nichtverbrauchen von Einkünften, was ja nur zum Kapitalismus führe, nein, heute ging es um das „Neue Sparen“. Das „ Neue Sparen“ aber hieße: „Einsparen“.

Hui, da waren die Presseleute aber überrascht. Der Alte hat aber auch immer Ideen! Bevor sie freilich die neue Sensation hinaustelefonieren konnten, kam die aller- neueste. Eine Bundessparkampagne, Deckname „Nulloption“, war bereits angelaufen: In allen Gemeinden des Landes waren Ortskommissare ernannt worden, die sich wöchentlich zur Lagebesprechung im Landesspartag trafen. Von dort berichtete man direkt an die Bundessparkammer, als welche die gesamte Bundesregierung vierzehntäglich zusammentrat.

Von besonderer Wichtigkeit war freilich die Bundessparzentrale, direkt dem Bundessparkanzler unterstellt, mit einem gleichermaßen sparsamen wie hochkarätigen Beamten im Staatssekretärrang an der Spitze. Die Bundessparzentrale war für die Koordinierung aller Einsparungspläne und Einsparungsvorschläge verantwortlich. Zu solchen Vorschlägen rief der Regierungschef auf — und die überwältigten Journalisten schlossen sich dem Aufruf an.

Und nun gab es kein Halten mehr: allerorten wurde, wenn schon nicht gespart oder eingespart, so doch vorgeschlagen. Die Einsparungsvorschläge blieben freilich nicht immer unwidersprochen. So wehrte sich der

Skisaison

Schutzverband niederösterreichischer Sparvereine gegen den Vorschlag, die wöchentlichen Sparbeträge sowie das jährliche Sparessen einzusparen und solchermaßen als „Einsparvereine“ zu wirken. Vorstände und Belegschaft aller Sparkassen wiesen darauf hin, daß die vorgeschlagene Umwidmung zu „Einsparkassen“ ihrem jahrhundertealten Auftrag zu wohltätigen Geldgeschäften widerspräche.Auch der selbstlose Einsparungsvorschlag des Bundes städtischer Parforce- Reiter, die öffentlichen Parkanlagen als Weiden für die Pferde bereitzustellen, um solchermaßen Stadtgartenerhaltungskosten einzusparen, stieß auf Widerstand — der Genossenschaft der Pferdefuttermittelhersteller.

Wenig Gegenliebe fand auch der vernünftige Vorschlag des Motorsportclubs „Schnelle Hirsche“, die Autobahnen von Fahrzeugen mit Geschwindigkeiten unter 150 freizuhalten. Das Bundesgremium der Gebrauchtwagenhändler fürchtete um Arbeitsplätze. Ernst genommen wurde hingegen lange Zeit der Plan, die relativen Lokomotivführerpersonalkosten der Bundesbahn durch Verlängerung der Personenzüge zu senken. Leider konnte die Eisenbahnergewerkschaft nicht überzeugt werden.

Zu einem Krisengipfel im staatlichen Rundfunk führte der Vorschlag, statt aufwendiger Eigenproduktionen oder des teuren Einkaufs jahrelanger Fernsehserien doch einfach Parlaments-

(Karikatur: Stäuber, Nebelspalter)

Übertragungen (kostenfrei!) mit dazwischengeschnittenen Fußballspielen vergangener Weltmeisterschaften (Gebühren bereits abgegolten!) zu senden. Auch die ständige und teure Neuproduktion von innenpolitischen Nachrichten wurde in Frage gestellt. Hier müßte doch das vorhandene Material aus den letzten zwölf Jahren eigentlich ausreichen. An dieser Stelle legte sich freilich der Vorsitzende der Journalistengewerkschaft mit Erfolg quer.

In einem Gutachten einer anonym bleiben wollenden (ausländischen?) Unternehmergruppe wurde auf die Einsparungswirkung von Rationalisierungsmaßnahmen hingewiesen. Solchermaßen freigestellte Arbeiter könnten sich beispielsweise um die Erziehung ihrer Kinder kümmern, was hinwiederum Ausgaben für teure Lehrer einsparen könnte. Die dadurch freigestellten Junglehrer könnten, zumindest die dunkelhaarigen, zur mutter- sprachlichen Betreuung österreichischer Sommergäste am Mittelmeer eingesetzt werden. Der Devisenspareffekt sollte nicht übersehen werden.

Der Strom von Einsparungsvorschlägen lief zur Springflut auf: Bewohner von alpenländischen Seitentälern wiesen auf den Einsparungseffekt durch Ersetzen des Geldes durch in eigenen Werkstätten produzierte Hirschhornknöpfe hin. Flachlandbewohner hielten Quarzglasmurmeln für besser geeignet. Grenzlandbewohner in einem Teil des Landes schlugen die staatliche „Ausgliederung“ von Grenzlandbewohnern in andere Landesteile vor. Das würde zu erheblichen Spareffekten führen.

Da wurde es den Ministern und Staatssekretären in der Bundessparkammer doch mulmig, und als schließlich der Vorschlag eingebracht wurde, doch auch gleich wieder alle Ortssparkommissare, die Landesspartage, die Bundessparzentrale und die Bundessparkammer einzusparen, da brachen sie die Kampagne endgültig ab: „Wer wäre dann in unserem Lande noch für das Sparen zuständig?“ Und wo bei uns keine Zuständigkeit ist, da kann auch nichts getan werden, nicht einmal eingespart.

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