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Der Schmerz der Banken

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„Das letzte Jahresviertel 1972 stellte die österreichischen Kreditinstitute vor die schwierigste Situation seit der Wiedereinführung des Schillings als österreichische Währung“, sagte Anfang Jänner ein österreichischer Bankfachmann. Die zweimalige drastische Senkung des Kreditplafonds kam unerwartet und führte zu dementsprechenden Reaktionen. Dazu kam noch die kaum vorauszusehende Abhebungswelle, die, vermutlich im Zeichen der Mehrwertsteuer-Furcht, zu einer gigantischen Kaufwelle in Österreich führte.

Die Kreditinstitute mußten mit diesen Erscheinungen fertig werden, und sie haben es größtenteils auch ohne Hilfe der Notenbank geschafft. Dennoch nennt man sich im Kreditapparat hinter vorgehaltener Hand teilweise enorme Beträge, die verschiedene Institute als „Strafzinsen“ zahlen mußten, da sie ihren Kreditplafond nicht entsprechend rasch einschränkten.

Das Stabilisierungsabkommen zwischen den Sozialpartnern und die entsprechenden Maßnahmen der Bundesregierung laufen mit Ende Mai aus. Der Bundeskanzler hat sich bereits in aller Deutlichkeit für die Verlängerung dieser Maßnahmen und des Sozialpartnerabkommens ausgesprochen, die Bundeswirtschaftskammer hat in einer ersten Stellungnahme zwar grundsätzlich ihre Bereitschaft zu einer Verlängerung erklärt, diese aber von einer Reihe von Modifikationen abhängig gemacht.

Vor allem die Liberalisierung der Krediteinschränkungen ist ein wichtiger Punkt auf dem Wunschzettel der Bundeskammer. „Ich verstehe, daß diese Maßnahmen dem Kreditapparat weh tun, aber wenn sie nicht weh tun, sind sie auch nicht wirksam“, formulierte Finanzmini-ster Dr. Androsch seinen Standpunkt. Aber gerade diese Wirksamkeit wird von vielen Fachleuten bezweifelt. Sie glauben, daß die schockartige Einschleifung des Kreditmarkts, ohne auf die konjunkturelle Situation Rücksicht zu nehmen, weitreichende wirtschaftliche Auswirkungen haben könnte, ohne den erhofften Effekt auf dem preispolitischen Sektor zu bringen. Viele Unternehmer sahen sich bereits gezwungen, Investitionspläne zu beschränken oder zunächst überhaupt aufzugeben. Bei der augenblicklichen Lage in der Investitionsgüter- und Bauindustrie heißt das aber keinesfalls, daß sofort weniger investiert werden wird. Denn größere Investitionen werden im Durchschnitt erst in etwa zwei bis drei Jahren kostenwirksam, ein sofortiger Einfluß auf das Preisniveau ist also nur in geringerem Maße wahrscheinlich.

Direkte Auswirkungen auf das Preisniveau könnte die drastische

Krediteinschränkung nur auf dem chen können“, heißt es dazu bei den Wie lange diese Einschränkungen Bau- und hier vor allem auf dem Banken und Sparkassen.gelten werden, ist noch unklar: die

Wohnbausektor bringen. Aber auch Wenig erfreuliche Auswirkun- Vertreter der Bausparkassen werden da werden es zunächst langfristige gen hat das Bremsen der Kredite erstmals im April im Finanzmini-Versprechungen sein, die trotz Kre- auch für die Kunden der österreichi- sterium verhandeln. Daß es eine diteinschränkungen eingehalten wer- sehen Bausparkassen. Sie müssen Fortsetzung der Stabilisierungsbeden müssen. Projekte, deren jetzt erstmals die vertragsmäßige mühungen in der einen oder anderen Verwirklichung jetzt begonnen wird, Wartefrist von eineinhalb Jahren Form geben wird und muß, ist klar, wurden in der Regel schon vor ein abwarten, bis sie einen Anschluß- Es stellt sich nur die Frage, ob die oder zwei Jahren kalkuliert und ge- kredit zugeteilt erhalten. Die so be- zweite Stufe der Senkung des Kre-plant, die Kreditzusagen sind zu- liebte Form der Zwischenfinanzie- ditplafonds nicht zu rasch auf die meist ebenso lange zurückliegend, rung von Projekten durch die erste folgte, deren Auswirkungen „Wir haben ja entsprechende Ver- Bausparkassen ist momentan un- man Ende November noch gar nicht träge, die wir jetzt nicht einfach bre- möglich.abschätzen konnte. Der ausgetrocknete Geldmarkt muß nicht gleich Stagflation bedeuten, wie viele Warner es befürchten, aber ein überbremster Kreditmarkt könnte doch unerfreuliche Auswirkungen auf Österreichs eigenständige konjunkturelle Entwicklung haben.

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