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Die schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten

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Die am 28. August bekanntgegebene Devalvierung der schwedischen Krone beleuchtet überdeutlich die schwere wirtschaftliche und staatsfinanzielfe Situation, in die Schweden geraten ist. Es ist die dritte Verminderung des Kronen wertes in weniger als einem Jahr. Für einen ständigen Beobachter der Entwicklung kam sie nicht überraschend: Die sozialdemokratische Regierung in Schweden hatte sich jahrzehntelang Einkommensteuererhöhungen in einem Ausmaß erlaubt, die mit einer verantwortungsbewußten Lohnpolitik nichts mehr zu tun hatten. Und nun kommen die unvermeidbaren Rechnungen, die von den Nachfolgern vorgelegt werden müssen.

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Die am 28. August bekanntgegebene Devalvierung der schwedischen Krone beleuchtet überdeutlich die schwere wirtschaftliche und staatsfinanzielfe Situation, in die Schweden geraten ist. Es ist die dritte Verminderung des Kronen wertes in weniger als einem Jahr. Für einen ständigen Beobachter der Entwicklung kam sie nicht überraschend: Die sozialdemokratische Regierung in Schweden hatte sich jahrzehntelang Einkommensteuererhöhungen in einem Ausmaß erlaubt, die mit einer verantwortungsbewußten Lohnpolitik nichts mehr zu tun hatten. Und nun kommen die unvermeidbaren Rechnungen, die von den Nachfolgern vorgelegt werden müssen.

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Im Gegensatz zu Regierungschef Fälldin, der in seinem Unwillen, sich zu brennenden Fragen klar und deutlich zu äußern, immer mehr in die Rolle einer pfeifenrauchenden Sphinx verfällt, konnten - jedenfalls bis vor kurzem - einige Mitglieder seines Kabinetts ihrer Redseligkeit keine Zügel anlegen. Sie bestärkten dadurch die bereits bestehenden Zweifel am Wertbestand der schwedischen Krone. Als schließlich Andeutungen über eine mögliche Devalvierung von Seite des Wirtschaftsministers kamen - den man allgemein als den „starken Mann“ in der Regierung betrachtet -, wußte man über die triste wirtschaftliche Lage deš Landes Bescheid. Von gleicher Stelle kommen nun Andeutungen über die Möglichkeit von Krisenmaßnahmen, die den Bürgern „auf der Haut brennen“ werden. Die Schweden können sich auf einiges gefaßt machen.

Uber alle Einzelheiten des Sanierungsprogramms ist man sich auch im engsten Regierungskreis noch nicht einig. Fest steht, daß das Hauptgewicht der Regierungsbemühungen, aus der schwersten Wirtschaftskrise seit fünfzig Jahren herauszukommen, auf vier Bereiche konzentriert sein wird:

• Eine Verstärkung der Konkurrenzkraft der Industrie durch eine starke Verminderung oder die vollständige Abschaffung der Lohnsteuern.

• Ein Lohnstopp, der sich über mindestens zwei Jahre erstrecken soll, eventuell verbunden mit einem temporären Preisstopp.

• Weitere umfassende staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, besonders unter Schulabgängern.

• Eine Indexregelung bei der staatlichen Einkommensteuer, die das automatische Ansteigen des Steuerdruckes infolge der Inflation verhindert.

Der wirtschaftliche Hintergrund dieser Krisenpakete ist denkbar düster: Die Metallindustrie, inklusive der Werften, hat bereits im Voijahr 13.000 , Arbeitsplätze eingebüßt, im laufenden Jahr werden es mindestens 20.000 weitere sein, die verlorengehen. Schon im Vorjahr arbeiteten in dieser Branche 60.000 Personen in Unternehmen, die keinen Gewinn mehr erarbeiten konnten. In diesem Jahr ist die Situation sogar nöch trister. Es gibt eine Reihe von Unternehmen, die Massenentlassungen nur deshalb vermeiden können, weil sie pro Beschäftigten und

Stunde vom Staat eine sogenannte „Ausbildungshilfe“ von 25 Schwedenkronen erhalten, die nahezu die ganzen Lohnkosten deckt.

Die Pläne zur Abschaffung der Lohnsteuer, eine Indexregelung bei der Einkommensteuer und ein Lohnstopp werden von den Gewerkschaften entschieden abgelehnt. Bei weiterlaufender Inflation (zusätzlich angeheizt durch die eben durchgeführte Devalvierung der Krone), befürchten die Lohnempfänger eine Senkung des Realeinkommens, die jetzt schon untragbar erscheint Die Steuerreformen dürften dem Staat 20 Milliarden Kronen kosten. Wie will man diesen riesigen Fehlbetrag im Staatshaushalt decken?

Eine neue Erhöhung der Verbrauchssteuer oder eine lange Reihe von punktweisen Steuererhöhungen scheinen unabwendbar. Während man die Situation der Industrie etwas verbessert, setzt man den kleinen Normalverbraucher bisher nie dagewesenen Belastungen aus. In diesem Zusammenhang ist ein eben gemachte Untersuchung interessant, aus der hervorgeht, daß der Lebensmittelverbrauch einer schwedischen Durchschnittsfamilie stark im Sinken ist…

Eine Durchführung des weitreichenden Krisenprogramms, das nach Aussage des Wirtschaftsministers „auf der Haut brennen wird“, ist ohne die Mitwirkung der Gewerkschaften kaum möglich. Zur Zeit deutet jedoch nichts darauf hin, daß es zu einer ge- /meinsamen Handlungsweise oder auch nur zu einer stillschweigenden Duldung der krisenbekämpfenden Politik der Regierung durch die Interessenverbände der Lohnempfänger kommen könnte. Beharrt jedoch die Regierung auf ihrer Politik der Konfrontation auf dem Arbeitsmarkt, kann: das Ergebnis nur .eine bisher ungekannte Verschärfung der innenpolitischen Gegensätze in Schweden sein.

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