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Der Staat darf nicht Partei ergreifen

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Was sind religiöse Belange? Doch jedenfalls Bereiche, die mit dem Glauben an die Existenz eines Gottes zusammenhängen. Die Verbundenheit mit einem „höheren Wesen”, die das Leben und damit die Lebensführung bestimmt.

Höchstpersönliche Antworten auf die persönlichste aller Fragen, nämlich die nach dem Sinn des Lebens. Wird sie mit der Transzendenz beantwortet, so ist der Glaube das Ergebnis. Das Irrationale, nicht Erklärbare, man muß es „glauben”. Die Irrationalität dieses Fundaments macht den grundlegenden Unterschied zu staatlichen Institutionen aus, welche auf Vernunft gegründet und jederzeit hinterfragbar sein müssen. Das war nicht immer so.

Die einstige Identität von Religi-ons- und Staatsgemeinschaft wich der Legitimierung staatlicher Macht durch die religiöse, bis beide Mächte scheinbar gleichberechtigt nebeneinander standen.

Ihr Symbol, die zwei Schwerter, standen für die Herrschaft des Prie-stertums und des Königtums, wobei zwar theoretisch die faktische Vorherrschaft der königlichen Gewalt außer Streit stand, tatsächlich jedoch das Primat der geistlichen Gewalt die Politik bestimmte.

Erst in der Aufklärung wurde der Weg zur Trennung von Kirchen und Staat beschritten, auf dem wir irgendwann stecken geblieben sind. Insbesondere in Österreich haben wir immer noch eine dichte Verflechtung von Kirchen und Staat, die sich im Schul- und Hoch schulbereich ebenso niederschlug' wie in der Rechts politik, das religio se Symbol des Christentums hängt verpflichtend in öffentlichen Gebäuden, auch ungeachtet der Tatsache, daß wir schon lange eine multikulturelle Gesellschaft geworden sind.

Selbstverständlich ist aber auch das Grundrecht auf Re! igionsfreiheit verankert; was jedoch darunter zu verstehen ist, wagt man offenbar des befürchteten Ergebnisses wegen - nicht wirklich zu diskutieren.

Die kürzlich wieder aufgeflammte „Sektendebatte” hat das deutlich sichtbar gemacht. Um nicht mißverstanden zu werde. i: Organisationen, wie beispielsweise Scientology oder

Moon halte ich für menschenverachtend, weil sie das Individuum ausnützen und zum Werkzeug degradieren, andere Vereinigungen zeichnen sich in meinen Augen eher durch Skurri-lität oder Banalität aus, das Engel-werk oder Opus Dei halte ich deshalb für besonders übel und gefährlich, weil sie unter dem Mantel einer anerkannten Reli gionsgemein- . schaft agieren, nämlich der katholischen Kirche.

Und da sind wir an einem neuralgischen Punkt angekommen: darf sich der Staat wirklich herausnehmen zu regeln, welcher Gottesbegriff- denn die Organisation der ihm folgenden Gemeinschaft orientiert sich einzig daran - anerkennenswert ist und welcher nicht? Und wozu?

Um auch hier nicht mißverstanden zu werden: ich anerkenne das soziale, pädagogische und erwachsenenbildnerische Engagement der Kirchen, ihren Beitrag zur kulturellen Entwicklung einer Gesellschaft, aber ich glaube, daß diese Fragen gestellt werden müssen, um die Antwort auf die Frage nach Sekten finden zu können.

Die jüngst herausgegebene Broschüre des Familienministeriums gibt sie jedenfalls nicht, sie vermittele vielmehr die Selbstgerechtigkeit der Mehrheitsreligion eines Landes, die unter anderem dazu geführt hat, daß selbst der Buddhismus in Österreich erst seit kurzem in Österreich als Re-ligionsgemeinschaft anerkannt ist.

Ich denke, daß sich eine demokratische Gesellschaft dadurch auszeichnet, daß sich ihre Mitglieder möglichst frei entfalten können. Aufgabe des Staates ist es, dieses zu gewährleisten.

Die Beligionsausübung, ob privat oder öffentlich, ist ein wesentlicher Bestandteil im Leben vieler Menschen. Diese soll gesichert sein, aber mehr als die auch sonst geltenden (straf-gesetzlichen Schranken scheint mir nicht zulässig, will der Staat nicht Partei für eine Glaubensrichtung ergreifen.

Eine solche Parteinahme jedoch widerspräche jener Neutralität staatlicher Institutionen in Religionsfra-gen, die letztlich das Ziel der Aufklärung war: Wir haben es noch lange nicht erreicht.

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