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Polen nicht verloren

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Noch ist Polen nicht verloren.” Der seltsam anmutende Beginn der polnischen Nationalhymne hat den Vorteil, daß er sich historisch nicht verbraucht. Es gibt immer wieder eine Situation, auf die er zutrifft. Auch nach dem jüngsten Wahlsonntag kann man dies sagen: Das Land, nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Diktatur von katholischen Arbeitern, Bauern und Intellektuellen in die Hand genommen, war diesen nach kurzer Zeit von opportunistischen Ex-Kommunisten wieder entrissen worden. Nun steht die Erneuerung einer katholisch getönten Mitte-Rechts-Regierung bevor.

Die ungewöhnlichen Machtverhältnisse fielen vor allem, aber nicht nur in Polen auf. In der Slowakei, in Ostdeutschland, in Ungarn, sogar in Slowenien gibt es gewisse Parallelen, obwohl die Verhältnisse insgesamt so unterschiedlich wie die Rollen sind, die die Kirchen bei und nach der Wende spielten. Einmal Auffangbecken der Opposition, ein andermal Kollaborateurin, nicht vertraut mit religiöser und medialer Pluralität, durch starken Modernisierungsdruck verformt, wirkt die katholische Kirche in Polen und anderswo heute verunsichert, ja hilflos.

Anschaulich beschreibt diese Situation der einstige Vizekanzler Erhard Busek in seinem jüngsten und bisher sicher besten Buch („Mitteleuropa - Eine Spurensicherung”, Kremayr & Scheriau). Der Verfasser handelt sein Lieblingsthema Mitteleuropa kundig und hingebungsvoll, aber ohne Frontstellung zu anderen Integrationsprozessen ab. Nicht gegen, sondern für die Europäische Union würde eine engere Kooperation im Donauraum und mit Südosteuropa sich auswirken, und auch die EU sollte ja so etwas sein wie die „Vorstufe zu einer geeinigten Menschheit”, wovon schon Hermann Hesse „poetische Träume” spann.

In Raumordnungs- und Umweltfragen, in Tourismus, Verkehr und Kultur könnte Österreich, wenn es im zweiten Halbjahr 1998 der EU präsidiert, Initiativen setzen., Im Institut für den Donauraum und Mitteleuropa wurde ein konkretes Programm für eine politische und wirtschaftliche Stabilität des Donau-Balkan-Raums erarbeitet.

Österreich könnte sich als Standort einschlägiger EU-Programme profilieren. Sprachenprojekte der EU müßten auch slawische Sprachen einschließen. Mußten Österreichs Lektorenstellen in Nachbarländern reduziert werden? Könnte der ORF nicht mehr Farbtupfer aus europäischen Ländern ins Programm einbauen? Warum nicht an einem gemeinsamen Geschichtsbuch arbeiten?

Den Religionen und Kirchen käme eine Rolle als „Anwälte des Geistes” für eine „Kultur des Zusammenlebens” zu. Auch da hätte Österreich bei aller Bescheidenheit Modellhaftes anzubieten. Wird man je in der Öffentlichkeit etwas von diesem Geist zu spüren bekommen -oder wieder nur die alte Erfahrung des maliziösen Totschweigens eines abgehalfterten Unbequemen?

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