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Ein Chaos, das wächst

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Eigentlich wäre es die Probe aufs Exempel wfert, wenn die Kommunisten in Portugal an die Macht kämen. Damit würden klare Verbältnisse geschaffen; die NATO könnte ihre Konsequenzen ziehen und die Sowjetunion die wirtschaftliche Entwicklungshilfe übernehmen. Die Ergebnisse wären heilsam.

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Eigentlich wäre es die Probe aufs Exempel wfert, wenn die Kommunisten in Portugal an die Macht kämen. Damit würden klare Verbältnisse geschaffen; die NATO könnte ihre Konsequenzen ziehen und die Sowjetunion die wirtschaftliche Entwicklungshilfe übernehmen. Die Ergebnisse wären heilsam.

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“hedniH sin lew isdaiH .»hftdbis Zur Zeit sieht es allerdings nicht so aus. Die Kommunisten, deren gewaltsame Unterwanderungspolitik auf den erbitterten Widerstand der Bevölkerung stieß, stecken vorerst zurück. Sie versuchen es jetzt wieder mit Volksfront- und Einheitsparolen. Der Haß der Bevölkerungsmehrheit ist zwar das einzige, was sie noch mit den regierenden Militärs verbindet. Aber diese wissen nicht, was sie wollen.

Der erste Versuch der Offiziere, sich auf politische Parteien zu stützen, indem sie nur Linksparteien bestehen ließen, ist schon vor Monaten gescheitert. Der zweite Versuch, wenigstens untereinander die Einheit zu wahren, hat sich jetzt ebenfalls als Illusion herausgestellt. Es bleibt ein Wirrwarr von Linksromantik und Machtansprüchen, in dem das Chaos täglich wächst.

Die Wirtschaft ist bereits ruiniert. Arbeitslosigkeit und Inflation haben, obwohl sie versteckt werden, ein schlimmes Ausmaß erreicht. Banknoten mit der Jahreszahl 1964

werden gedruckt, um einigermaßen Vertrauen zu halten. Die Uberseegebiete sind in Aufruhr, Verbitterte kehren zurück. Und selbstverständlich ist Portugal auch ein internationaler Konfliktherd, die letzten müßten es bemerkt haben, als Ford und die „Prawdä“ wechselseitig einander vor Einmischung warnten.

Als Alternative zum offenen Bürgerkrieg bleibt vorläufig jenes Gemenge, das mit dem Hinweis auf nur mittellinke Programme (Antunes) in Kürze materielle Hilfe von Westeuropa fordern wird und sich damit vielleicht eine Weile mühsam über Wasser halten könnte.

Aber es wäre falsch, die kommunistische Aktivität zu unterschätzen, weil sie ihr Ziel im ersten Anlauf nicht erreicht hat. Wo die Rote Armee nicht anwesend ist, klappt es nicht auf Anhieb, vor allem dann nicht, wenn der revolutionäre Prozeß länger dauert. Die Bemühungen werden jedoch mit Sicherheit nicht nachlassen. Das versuchte Bündnis mit den sonst verketzerten Links-

' abweichern zeigt es deutlich. Zu verlockend ist für die große Politik die strategische Lage Portugals.

Immerhin ist die ganze Sache schon jetzt ein Lehrstück, das die kommunistischen Friedensschalmeien empfindlich stört, weil nicht Sozialreformer erscheinen, sondern totalitäre Machtansprüche über Menschen. Portugals Komunisten, personell und materiell besonders eng mit der Sowjetunion verbunden, treiben eine Politik gegen die große Mehrheit des Volkes. Den Test, der das beweist, hat es nicht nur auf der Straße gegeben, sondern auch in allgemeinen, sogar bereits gegängelten Wahlen. Nicht einmal die Knebelung der Pressefreiheit führte zum Erfolg.

Neben „Volk“ werden auch andere Schlagworte entlarvt die Kommunisten dauernd im Munde führen. Eine „Provokation“ haben nicht andere, sondern sie selbst versucht, als sie sich drohend außerhalb Lissabons sehen ließen. Das Ende war eine mühsame Befreiung aus der Sporthalle durch Militär. Die „Einmischung“ schließlich betreibt niemand auch nur annähernd so massiv wie die osteuropäischen Bruderparteien.

Es läßt sich auch feststellen, daß die verbalen, geradezu rituellen Beschimpfungsformeln („Faschist“ ist jeder, der die kommunistische Taktik durchschaut hat) an Wirkung verlieren. Sie sollen jede Diskussion und Argumentation, die den Kommunisten unangenehm ist, von vornherein ausschließen. Aber so einfach geht das nicht mehr.

Wie die Spielchen um den neuen Ministerpräsidenten Azevedo ausgehen, ist angesichts der Gesamtsituation zweitrangig. Imponierend neben der gewollten Ignoranz, der Böswilligkeit und Schläfrigkeit im freien Westen, bleibt die Haltung der Bevölkerung. Auch die Kirche hat sich dort, weil sie sieht, was auf dem Spiel steht, zu einem entschlossenen Handeln aufgerafft, das Respekt verdient. Revolutionsthesen, mit denen einige Katholiken in Südamerika liebäugeln, sehen gleich anders aus, wenn sie ä la Castro in die Wirklichkeit umgesetzt werden.

Während die Militärs diskutieren und ihr Land verkommen lassen, gibt es noch Hoffnung. Die Auslandspresse erfüllt da ihre Pflicht. Portugal liegt uns in Europa eben näher, als die soeben vollzogene Machtübernahme in Laos, die den meisten Blättern im freien Westen eine Fünfzeilenmeldung wert war.

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