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Digital In Arbeit

Ein Recht auf Arbeit?

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Die Forderung nach einem „Recht auf Arbeit“ ist bereits mehr als 150 Jahre alt; im 20. Jh. hat sie im Rahmen der sozialen Grundrechte, wie sie in der Deklaration der Menschenrechte von 1948 und in der Europäischen Sozialcharta enthalten sind, in einigen Ländern zu entsprechenden Rechtsnormen geführt.

So enthält die Verfassung des italienischen Staates „als einer auf der Arbeit gegründeten demokratischen Republik“ das Recht auf Arbeit. Auch in einigen Landesverfassungen der Bundesrepublik Deutschland findet sich dieses soziale Grundrecht.

Als soziales Grundrecht verpflichtet das Recht auf Arbeit den Staat zu bestimmten Leistungen der Beschäftigungssicherung, ohne direkt einklagbares Recht darzustellen. Darin unterscheidet es sich grundlegend von den klassischen Freiheitsrechten, die das Individuum vor Ubergriffen des Staates schützen.

Die verfassungsmäßige Verankerung des Rechts auf Arbeit stellt nicht nur ein juristisches Problem dar, sondern damit verbinden sich auch sozial- und wirtschaftspolitische sowie gesellschaftspolitische Forderungen und Konzepte. Charakteristisch für die gegenwärtige bundesdeutsche Diskussion ist, daß sich die Argumente für und wider das Recht auf Arbeit mit der Auseinandersetzung über die Priorität der Vollbeschäftigungspolitik vermischen.

Während das Recht auf Arbeit in der BRD von der einen Seite als Argument verwendet wird, um auf die effizientere regulative Fähigkeit der Marktwirtschaft'..liipzuweieen, schreiben die .deutschen.Gewerkschaften das Recht auf Arbeit auf ihr Banner, wenn sie Arbeitszeitverkürzung oder die Verpflichtung des Staates zur Völlbeschäftigungsppli-tik, etwa durch ein entsprechendes Gesetz, fordern.

Sie werfen dem Staat vor, die aktive Arbeitsmarktpolitik, zu der er durch das Arbeitsmarktförderungs-gesetz von 1969 verpflichtet ist, trotz hoher Arbeitslosigkeit vernachlässigt zu haben; sie verlangen stärkere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sowie deren Koordinierung mit anderen politischen Bereichen: der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik wie auch der Regionalpolitik. Darüber hinaus sollen sie auch mit den Maßnahmen der Personalpolitik der Unternehmungen integriert wer-

den, was eine zumindest indirekte Einflußnahme - etwa über die Subventionspolitik des Staates - auf die Personalpolitik der Unternehmen bedeuten würde.

Mit diesen Forderungen soll jedoch nicht nur eine Verbesserung der Beschäftigungssituation durch „Bewirtschaftungsmaßnahmen“ erreicht, sondern auch eine Neubestimmung des gesellschaftlichen Stellenwerts der Arbeit in die Wege geleitet werden. Die Arbeit soll nicht mehr einseitig an die Erfordernisse des Faktors Kapital angepaßt werden, sondern als eigenständige Zieldeterminante staatlicher Politik auftreten. Uber die Forderung nach Vorrang der Vollbeschäftigungspolitik hinaus verbindet sich mit der Verwendung des Schlagworts vom Recht auf Arbeit auf Seiten der Gewerkschaften auch die Forderung nach einer arbeitnehmerorientierten Beschäftigungspolitik. Die Implikationen der „Recht auf Arbeit“-Argu-mente gehen in der BRD durchaus-über das Beschäftigungsproblem und die Rechtsproblematik hinaus.

In Österreich hingegen fehlt der Diskussion um eine Verankerung des Rechts auf Arbeit in der Verfassung gegenwärtig die wirtschafts-und gesellschaftspolitische Brisanz. Einmal deshalb, weil die Regierung der Vollbeschäftigungspolitik eindeutig den Vorrang einräumt und die Arbeitslosenrate im Vergleich zur Bundesrepublik erheblich niedriger ist, zum anderen aber auch auf Grund der von der BRD sehr verschiedenen sozialen und ökonomischen Strukturen in Österreich.

. DieOrÖße des yer^ta'atlichteri, Sektors,, die Stärke der Arbeitnehmer-Vertretungen und ihre Iriterperietra-tion im politischen Bereich und die Sozialpartnerschaft haben zur Folge, daß gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen nicht so deutlich zu Tage treten wie in der BRD. Das Recht auf Arbeit erscheint in diesem Kontext daher primär als rechtliche Frage oder als Problem der konkreten Maßnahmen zur weiteren Verstärkung der Arbeitsmarktpolitik.

Sollte sich die Arbeitslosenrate in den nächsten Jahren jedoch drastisch erhöhen, das Problem der Jugendarbeitslosigkeit, auch in Österreich akut werden, so ist eine ähnliche Auseinandersetzung um das Recht auf Arbeit, wie sie in anderen europäischen Ländern geführt wird, zu erwarten.

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