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Bittere Lehre
Dr. Neugebauer beklagt „das Verhalten mancher katholischer Priester“ im letzten Wahlkampf, die „ihre Tätigkeit mit dem Eifer fanatischer Parteifunktionäre ausübten“. Wie es tatsächlich damit bestellt war, kann vom Verfasser nicht beurteilt, soll erwiesenen Falles aber auch nicht gutgeheißen werden. Es ist jedoch zu bedenken, daß auch der Priester freier Staatsbürger ist und alle demokratischen Grundrechte genießt und daher genauso das Recht und die Pflicht zur politischen Meinungsbildung und -äußerung besitzt wie jeder andere, ja letztere um so mehr, als er als Akademiker (der sich für das Wohl und Wehe des Volkes, für das er letzten Endes da ist, mitverantwortlich weiß) um so größere Verantwortung trägt. Die Kirche ist zwar nicht berufen, die irdische Ordnung und das natürliche Wohlergehen der Menschen zu organisieren, wohl aber, dahin zu wirken, daß in der irdischen Ordnung die göttliche Ordnung gewahrt und im natürlichen Heil der Menschen das übernatürliche Heil gewirkt wird. Die Kirche ist in der Weit, und zwar in allen ihren Ordnungen und Bezügen, auch in den politischen, wenn anders die Politik geheiligt und erlöst und im künftigen Gericht gerettet werden soll.
Die letzte bittere Lehre erteilten die Sozialisten in diesen Tagen: Kardinal Dr. König und Bischof Dr. Žak hatten für den 26. Und 27. März die politischen Mandatare Niederösterreichs in das Bildungshaus nach St. Pölten zu einem „Religiösen Wochenende der Politiker“ eingeladen. Und der Erfolg? Es kamen rund 70 Teilnehmer aus ÖVP-Kreisen, aber kein einziger aus der SPÖ! Nur Dr. Tschadek und ein paar andere schickten ein Entschuldigungsschreiben.
Solange die Lage so ist, daß sich aktive Katholiken in nennenswerter Zahl nur bei der ÖVP finden, darf man sich nicht wundem, wenn gläubige Christen einer oben katholikenentblößten SPÖ nicht recht trauen. Da im Gespräch zwischen Sozialismus und Christentum die Vergangenheit aber gegen den Sozialismus zeugt, ist es Sache des zeitgenössischen Sozialismus, diese Vergangenheit zu überwinden. Die Kirche hat das Ihre getan.
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