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GEKAUFT WIRD, WAS IM REGAL STEHT

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Um den „mündigen Konsumenten" steht es schlecht. Keine einzige Auslistung eines umweltschädlichen Artikels geht auf sein Konto. Ob Einweg-PET, haloge-nisierte Treibgase, Gelbflossen-Thunfische oder Chlorbleiche: Stets waren Handel, Industrie, Umwelt- oder Konsumentenvertreter treibende Kraft im Kampf gegen ökologisch bedenkliche Produkte. Wobei „König Kunde" oft genug mittels Kaufentscheidung eher die Vorstöße boykottierte als die kritisierten Waren.

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Um den „mündigen Konsumenten" steht es schlecht. Keine einzige Auslistung eines umweltschädlichen Artikels geht auf sein Konto. Ob Einweg-PET, haloge-nisierte Treibgase, Gelbflossen-Thunfische oder Chlorbleiche: Stets waren Handel, Industrie, Umwelt- oder Konsumentenvertreter treibende Kraft im Kampf gegen ökologisch bedenkliche Produkte. Wobei „König Kunde" oft genug mittels Kaufentscheidung eher die Vorstöße boykottierte als die kritisierten Waren.

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Die anonyme Masse der Käufer bestätigt nichts als das Gesetz der Trägheit. Helene Karmasin, Leiterin des Instituts für Motivforschung in Wien, ist „kein Fall bekannt", wo die Konsumenten von sich aus das Sortiment zum Besseren verändert hätten. Auch Spar-Vorstandsdirektor Fritz Poppmeier kennt „keine eindeutigen" Willenskundgebungen der Kundschaft. „Sehr massiv treten allerdings die Tierschützer in Erscheinung."

Für den Konsum-Umweltbeauftragten Alexander Pflaum gibt es zwar jede Menge anregender Konsumentenpost zu bearbeiten. Ausschlaggebend bleibt aber allemal für „sortimentsmäßige Maßnahmen die Qualität der Argumente" und nicht die Quantität. Aus diesem Grund bleibt auch die Weigerung des Konsum, sich am umstrittenen Konzept der Arge-V zu beteiligen, ein Wandeln auf des Messers Schneide (siehe Beitrag unten, Anm.d.Red.,). Bekanntlich brachte der Verzicht auf Mitgliedschaft in dem Verein -mit dem Argument, hier werde versucht, Einweggebinde endgültig hoffähig zu machen - dem Konzern den Lieferboykott der Getränkeindustrie ein.

Außer Millionen verlusten dürfte für das größte Handelsunternehmen Österreichs bei diesem Experiment nichts „herausspringen"; nicht einmal die eigenen Mitglieder honorieren das Experiment durch entsprechendes Kaufverhalten.

Ähnliche Schlußfolgerungen lassen sich aus dem Beispiel Vorarlbergs ziehen, wo das Umweltbewußtsein der Verbraucher verhältnismäßig am weitesten entwickelt ist.

Hier hatten die Kaufleute von Spar und Adeg bereits vor zwei Jahren mit massiver Medienunterstützung die Einweg-PET-Flaschen aus den Regalen geworfen. Einbußen mußten die Händler trotz breiter öffentlicher Zustimmung hinnnehmen. Der Adeg-Umweltsprecher im Ländle, Anton Franz, dazu: „Das Echo war groß, trotzdem brachte die Aktion finanzielle Verluste für die Kaufleute. Aber allen Kunden Recht getan..."

Der schnelle Griff zu Alu, PET & Co läßt sich nicht allein durch „Wurstigkeit" oder Bequemlichkeit erklären. Gewiß gibt es die Lauert, Gleichgültigen, Denkfaulen. Es bleibt aber erstaunlich, warum der erkleckliche Rest der Konsumenten, denen die Umwelt nicht egal ist, die Bemühungen des Handels nicht stärker honoriert.

Paradoxerweise sind es zwei konträr gestimmte Gruppen, die ihre löbliche Einstellung nicht in die Tat umsetzen. Die einen trauen ihren Mitkunden zuwenig zu. Das Motto dafür: Wenn's eh alle kaufen, dann kommt's auf mich auch nicht mehr an. Und die übrigen, meist „Gelegenheitstäter", sind genau gegenteilig (de)motiviert. „Das sind diejenigen Impulskäufer, welche das Umweltbewußtsein für bereits fortgeschrittener halten, als es tatsächlich ist", erläutert der Wiener Sozialpsychologe Gerhard Dunda. „Die trösten sich angesichts eines Fehlgriffs mit dem Gedanken, daß das Produkt ohnehin immer seltener gekauft wird."

Beide Fehlhaltungen erwachsen allerdings aus der selben Wurzel: Der selbsterfüllenden Prophezeiung, daß es auf einen selbst nicht ankomme. Eine amerikanische Untersuchung ergab allerdings, daß, sobald eine bestimmte „kritische Masse" damit beginnt, die eigene Entscheidung wichtig zu nehmen, das allgemeine Verhalten abrupt zum Besseren umkippt.

Es besteht also durchaus noch Grund zur Hoffnung. Vor fünfzehn Jahren glaubte schließlich auch nur eine Minderheit, daß Papiersammeln etwas bringt. Heute biegen sich die Container und man stöhnt schon wieder über zuviel Recyclingware. Irgendwann sollten die massiven Bemühungen des Handels Früchte tragen. Wie Fritz Poppmeier meint: „Der Handel muß künftige Konsumentenwünsche punkto Umwelt jetzt schon vorwegnehmen."

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