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Hand im Mund

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Als wär's ein Spuk gewesen — so mag rückblickend vielen Österreichern jener Sonntag im Oktober erscheinen, an dem das „göttliche Naß“ knapp wurde. Doch der Schock der Benzinhamsterei dürfte nicht tiefer als die Flüche sitzen, die manchem dabei herausschlüpften. Alle Hoffnungen, die Krisensignale aus dem Nahen Osten könnten Herrn und Frau Österreicher vom Stil des von der Hand-in-den-Mund-Lebens abbringen, sind unnütz. Die Tanks des Götzen Automobil sind (vorläufig) wieder voll, die Selbstzufriedenheit damit wieder eingekehrt. Berufsoptimisten, wie die Politiker nun einmal sind, heben resignierend die Hände.

„Der Österreicher vergißt eben rasch“ — dies ist des verantwortlichen Ressortchefs Beteuerung und vermutlich Ausrede, den Versäumnissen mehrerer Regierungen zu Leibe rücken zu müssen. Handelsminister Staribacher bestreitet nicht den modellhaften Charakter, vor allem der Schweizer Vorstellungen zur Krisenvorsorge. Wie wenig er aber dieser ihm übertragenen Aufgabe bisher Beachtung geschenkt hat, bewies der Minister in seiner Unkenntnis eines Gesetzesentwurfes über ein Bevorratungsgesetz, den einer seiner Amtsvorgänger, Otto Mitterer, erarbeiten ließ. Selbst Mit-terers Zugehörigkeit zu einer der großen Interessenvertretungen

konnte das Gesetzesvorhaben aber nicht gänzlich aus dem Streit um Kompetenzstandpunkte befreien. Sein Vorschlag lehnt sich trotz mancher Einwände der Wirtschaft eng an das Schweizer Muster einer Lagerhaltung auf freiwilliger Basis an. Zur Förderung dieser freiwilligen Bevorratung sind allerdings Zuschüsse des Bundes vorgesehen. Diese könnten sowohl in der Form von Abschreibmöglichkeiten als auch durch teilweise Übernahme der Zinslasten gewährt werden. Geset-zesteohnisch würde dies in den be-reich der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes fallen. Durch Verträge zwischen den lagerhaltenden Firmen und dem Bund würde außerdem keine der in der Verfassung festgelegten Kompetenzbereiche tangiert werden. Während zum Zeitpunkt der Erarbeitung dieses Vor-

schlages (1968) die Arbeitnehmerseite für eine größere Einflußnahme der Regierung auf die Bevorratung eintrat, will nun niemand mehr von einer stärkeren Belastung des Bundes wissen. Die inflationäre Entwicklung und die Pressionen auf die Wirtschaft und auf die Preisgestaltung haben neuerdings diese Seite veranlaßt, den Bund als Träger einer Krisenvorsorge verantwortlich zu machen. Dem Landesverteidigungsrat, der allerdings seit mehr als einem halben Jahr in einem vom Kanzler verordneten Dämmerschlaf verfallen ist, liegt der Entwurf einer Doktrin zur wirtschaftlichen Landesverteidigung vor. Mit der Abwertung des Begriffes Landesverteidigung besteht aber nur wenig Hoffnung, daß unter dieser Flagge ein Erfolg erzielt werden kann. Vielleicht hilft da nur eine neue Fassade. Nur wenige verstehen in diesem Zusammenbang den Begriff „Verteidigung“. Landesuorsorge wäre wohl ein möglicherweise für den Bürger leichter faßbarer Begriff.

Solange man aber betulich vermeidet, die Bevölkerung über die Problematik aufzuklären, ist deren Unverständnis die einzige Antwort. Dabei können Zahlen doch überaus illustrativ und einleuchtend sein. So würde die Lagerhaltung der pflanzlichen Fette und öle (ein Bereich, in dem wir nach wie vor überaus importabhängig sind) nur minimale Preisaufschläge nach -Ach ziehen; etwa bei Margarine im Bereich von 3 Groschen pro Paket. Bereits ein Importzuschlag von 1,5 Promille könnte Lagerkosten im Umfang einer halben Milliarde decken. Ebensolche Wirkung für die Notwendigkeit von Krisenvorsorgen könnte vielleicht die Tatsache erzeugen, wonach bei einer durch Importstopp notwendig werdenden Treibstoffbewirtschaftung die Abgabemenge für einen Privat-Pkw auf 50 Liter pro Monat sinken würde.

Nicht Panik sollte freilich mit einer Konsumbeschränkung geschürt werden. Vielmehr geht es um das Verständnis breiterer Schichten, denen die Entspannungseuphorie die Vorstellungskraft für eine reale Welt genommen hat.

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