Auch in der Psychotherapie gibt es so etwas wie Bauernregeln – simple Prognosen, entstanden aus dem langjährigen Erfahrungsschatz quer durch alle Therapieschulen. Man weiß zum Beispiel: Nichts die Gruppe so sehr eint wie das Gewahrsein eines Außenfeinds. Global zeigt sich dies im geschlossenen Auftreten der Europäischen Union, seit Russland die Ukraine überfallen hat. Dies gilt nun offenbar auch für die Flüchtlingspolitik: Angesichts der schrecklichen Bilder des nahen Kriegs zeigen sich tiefe Betroffenheit, Empathie und eine große Bereitschaft, die Flüchtenden aufzunehmen und ihnen zu helfen. Putin wollte die Europäer spalten; derzeit ist das Gegenteil der Fall. In einer dekadenten und opportunistischen westlichen Plutokratie hatte die russische Kleptokratie bislang leichtes Spiel, doch damit sollte jetzt Schluss sein. Führt Putins Handeln womöglich auch zu einem inneren Wandel in den westlichen Gesellschaften, zum jähen Erwachen aus der selbstvergessenen „Wohlstands-Trance“ (Joachim Bauer), das im besten Fall eine heilsame Läuterung nach sich zieht? Eine kathartische Abkehr vom Neoliberalismus und eine Rückbesinnung auf humane Werte, für die es sich zu kämpfen lohnt?
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