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Kein Grund zur Tief stapelei

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Politikerreden, die verbal dem österreichischen Film Rosen streuten und hoffnungsvoll von einer gemeinsamen europäischen Zukunft sprachen, ein Hauch von Glamour und großer Welt bei medial geschickt aufbereiteten Premieren und der Geist unzähliger, in Klausur lebender Insider, die im breiteren Rahmen über Film diskutieren sollten und könnten -das war Wels. Was aber auch bei diesen sechsten „Filmtagen“ (17. bis 22. Oktober) nicht so recht gelingen wollte, war die Schaffung einer Konfliktkultur und einer Basis für die ästhetischen

Diskurse. Fruchtbringende Dialoge sind leider eine Seltenheit, seit Jahren pendelt die Szene zwischen Larmoyanz und Lobhudelei. Dabei wären besonders heuer weder Tief-noch Hochstapelei angebracht gewesen.

Während nämlich im deutschsprachigen Europa über eine Krise des Spielfilms geklagt wird, lassen einige österreichische Arbeiten den Weg aus ihr erkennen. Da ist zum Beispiel der Eröffnungsfilm des Festivals, Michael Hanekes vielversprechendes Kinodebüt „Der siebente Kontinent“ (1989), jene visuell ungemein starke Konzentration auf das Alltägliche, auf Handlungen, die wir unbeachtet, sozusagen „automatisch“ verrichten, der von den Werken des französischen Realisten Robert Bresson („Das Geld“, 1982) beeinflußt scheint.

Oder „Der Einzug des Rokoko ins Inselreich der Huzzis“ (1989) von Andreas Karner, Mara Mattuschka und Hans Werner Poschanko, eine im höchsten Maß stilisierte, theaterhafte Groteske in einer Stummfilmen nachempfundenen Dekoration mit dem phantastisch träumen-

den Auge der Kinematographie.

Oder auch frühe Filme von Xaver Schwarzenberger, Regisseur und ehemals Kameramann bei Rainer Werner Fassbinder („Querelle“, 1982), der mit einer Werkschau seiner Regiearbeiten gewürdigt wurde: „Donauwalzer“ (1984) das große, kraftvolle österreichische Kino der achtziger Jahre, „Absturz“ (1989), sein neuester, in Deutschland produzierter Film, erscheint dagegen als eine drastisch überzeichnete „Blut & Boden“-Ge-schichte, eins zutiefst banale Kopie der ewig jungen Liebe zwischen einem hübschen Mädchen und einem verrückten, häßlichen Jungen.

Neben hoffnungsvollen, verspielten Werken j unger Filmemacher wie etwa Florian Flickers „Das Attentat“ (1989), gab es nach wie vor das Sujet trübseliger, langweiliger Beziehungsgeschichten („Die Skorpionfrau“, 1989, von Susanne Zanke). Bei aller unterschiedlichen Qualität im Spielfilmbereich dauert dagegen die Krise im österreichischen Dokumentarfilm weiter

an, wenn man von Michael Pilz' eigenwilligem Künstlerporträt „80 cm 5 t“ (1989) absieht, einer mythologischen Annäherung an die innere, geistige Kraft künstlerischen Schaffens.

Die sogenannten Avantgardefilme (neben einer Vielzahl neugieriger Videos), die mit Experimental-und Animationsfilmen und mit bekannten Namen wie Dietmar Brehm, Lisi Ponger, Peter Tscher-kassky, Ilse Gassinger und Sabine Groschup vertreten waren, erfuhren eine recht eigentümliche Programmierung seitens der Organisation. Tscherkassky, Gassinger

und Romana Scheffknecht erhielten im Rahmen der Eröffnung Förderungspreise, wurden aber erst im Laufe des Festivals vorgestellt, Scheffknechts Film wurde überhaupt nicht gezeigt. Nichtsdestotrotz war ein Experimentalfilm, nämlich Martin Arnolds „Piecetou-chee“ (1989) eine der positiven Überraschungen der „Filmtage“. Hier hat ein offenbar visuell denkender und fühlender Künstler 18 Sekunden eines amerikanischen B-Pictures („Immer jagte er Blondinen“) in Einzelbildaufnahmen gefilmt und an Hand einer Partitur „komponiert“. Was nun mit Vor-und Rückwärtsbewegungen vielleicht vordergründig witzig erscheint, ist tatsächlich eine geniale Konstruktion von Raum und Zeit.

Vielleicht schließt sich hier auch der Kreis zur häufig vergeblich gesuchten Tradition des österreichischen Films, die in Wels immer mit einer Retrospektive angedeutet wird. Versuch einer Inspiration aus der Vergangenheit war die Rekonstruktion des seinerzeit als Avantgardefilm geltenden Werkes „Wienerinnen“ (1951) von Curt Sten-vert, einem naturalistischen Kontrapunkt zum Wiener Mädel-Image der fünfziger Jahre. Ein Hauch von Nostalgie wurde in Wels verbreitet, als sich Stenvert und seine Darsteller, mittlerweile bekannte österreichische Schauspieler, zum Stelldichein der Erinnerungen trafen.

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