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Läßt die Konjunktur nach? Sachverständige optimistisch

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Das Jahresgutachten des deutschen Sachverständigenrates für das Jahr 1977, einer Einrichtung, die noch aus der Zeit von Professor Erhard stammt, als man noch nicht an der Machbarkeit der Konjunktur zweifelte, steht diesmal unter einem doppelseitigen wirtschaftspolitischen Motto: „Konsolidierung und wachstumspolitische Vorsorge“.

„Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist die wichtigste Aufgabe der Finanzpolitik in den nächsten Jahren. Die Defizite müßten auf ein normales Maß eingeschränkt werden, damit das Mißtrauen gegen die Schuldenpolitik des Staates abgebaut wird, der Kapitalmarkt entlastet und dem Staat wieder ein Handlungsspielraum gegeben werden kann.“ .

Diese Mahnung der fünf Mitglieder des deutschen Sachverständigenrates, die in der deutschen Presse auch die „fünf Weisen“ genannt werden, erinnert sehr stark an die Probleme der österreichischen Wirtschaftspolitik. Wenn die Sachverständigen darüber, hinaus eine Korrektur der Ausgabe .- Struktur des Staates fordern und dafür plädieren, die konsumptiven. Ausgaben zu beschneiden, um mehr Spielraum für investitionsanregende Ausgaben zu schaffen, und wenn sie verlangen, in der Finanzplanung müsse aufgezeigt werden, welcher Weg der Konsolidierung der Staatsschuld beschritten werden soll, dann erinnert auch dies an die österreichische Situation.

Bei der Beurteilung der Weltkonjunktur und ihres Einflusses aut die deutsche Wirtschaft geht der Sachverständigenrat davon aus, daß der neue Aufschwung von Anfang an mit starken Belastungen aus der vorausgegangenen Hochkonjunktur begonnen hat: mit einem hohen Inflationssockel und mit gefährlichen Ungleichgewichten in den Zahlungsbilanzen wichtiger westlicher Industriestaaten. In den westlichen Industrieländern beträgt das summierte Defizit des Jahres 1976 an die 11 Milliarden US-Dollar. Als zusätzliche Belastung kamen 1976 die Arbeitslosigkeit und die Verteuerung der Rohstoffe hinzu.

In der BRD setzte der Aufschwung schon im Sommer 1975 ein, doch ist er seit dem Frühjahr 1976 sehr langsam vorangekommen. Die Schubkraft der konjunkturanregenden Maßnahmen der Finanzpolitik hat nachgelassen, der-Nachholbedarf der Konsumenten war gedeckt, die Lager sind neu aufgefüllt. Trotzdem ist der Sachverständigenrat für 1977 optimistisch, und bekanntlich hat er mit seiner Prognose für 1976 recht zutreffend die Entwicklung vorhefgesagt, obwohl diese Ende 1975 auch in der Presse als optimistisch kritisiert’w’üMe: b -

Im einzelnen sagen die fünf Weisen für 1977 der BRD ein Wachstum des realen Sozialprodukts um 4,5 Prozent, einen Preisanstieg um 4 Prozent und eine Zunahme der Exporte und Importe um real 9 Prozent voraus.

Damit diese optimistische Prognose zutreffen kann, fordert der Sachverständigenrat eine Wachstums- und Strukturpolitik, die stärker als bisher das Innovations- und Investitionsri siko der Unternehmen mitträgt. Die Sachverständigen schlagen dazu Abschreibungserleichterungen, eine Förderung der betrieblichen Forschung und Entwicklung sowie die Erleichterung der Gründung neuer Unternehmen durch zinsgünstige Kredite vor. Sie wollen die regionale und berufliche Mobilität der Arbeitnehmer durch direkte Hilfen verbessert sehen. Der Sachverständigenrat erneuert dann sein seit Jahren vorgetragenes Anliegen, einen Teil der Einkommensverbesserungen nicht als Lohn auszuzahlen, sondern durch einen Anspruch zu ersetzen, der sich nach der Höhe der Gewinne richtet. Das Arbeitsplatzrisiko der Arbeitnehmer würde damit zum Teil in ein Einkommensrisiko transformiert.

Sollte dieses Wachstumsprogramm in seiner Gesamtheit verwirklicht werden, so glauben die Sachverständigen, daß sogar ein reales Wachstum von 5,5 Prozent für die BRD im Jahre 1977 möglich wäre.

Da aber die letzten Lohnabschlüsse, wie in der Stahlindustrie, die einkommenspolitischen Vorstellungen von Sachverständigenrat und Bundesbank überschreiten und die derzeitige schwache deutsche Regierung ein so umfangreiches Wachstums- und Strukturprogramm wegen innerer Widerstände nicht so rasch verwirklichen kann, ist die Deutsche Bundesbank in ihrem letzten Monatsbericht vom Dezember 1976 wieder pessimistischer geworden.

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