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Moralische Aufrüstung der Justiz

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Richter haben es heute nicht leicht. Daß sie es nie leicht hatten, tröstet nur in Grenzen. Zumindest muß man orten, wo die Dinge übler geworden sind.

Der österreichische Richtertag wird dies in wenigen Tagen in Salzburg zu tun versuchen. „Die Aufgabe des Richters in einer pluralistischen Gesellschaft" ist schillerndes Tagungsmotto.

Ein Hindernis, das sich der Erfüllung dieser Aufgabe immer dreister in den Weg schiebt, wird in Salzburg gewiß nicht unerwähnt bleiben: parteipolitisches Vormachtstreben.

„Der österreichische Richter war nie unabhängig. Alle gegenteiligen Versicherungen gehören in den Bereich offiziöser Schönfärberei und liberaler Verlogenheit." So hart hat es schon Karl Kraus gesehen. Denn: Wer vorrücken möchte, sei auf politische Unterstützung angewiesen. Heute ist das der Richter schon, wenn er nur eine Wohnung sucht.

„Beruf, Wohnung, Fortkommen werden vorwiegend durch Interventionen geregelt", liest man in Folge '6/1982 der „österreichischen Richterzeitung", die es ja schließlich wissen muß. Endpunkt dieser Entwicklung ist dann eine allgemeine „Korruptions- und Skandaldemokratie".

Auch Weisungen an Staatsanwälte in „politischen" Prozessen, die Ernennung von Mini ster ialbe-amten zu Staatsanwälten, um ihnen ein höheres Einkommen zu verschaffen, die parteipolitische Publizitätsjagd eines Gerichtsorgans oder Quasijustiz spielende Parlamentarier, reihenweise Befangenheitserklärungen von Richtern, wenn ein politisierender Richter vor den Kadi muß: All das belastet auch jene, die ihre verfassungsrechtlich zugesagte Unabhängigkeit gern ernstgenommen sähen.

Der Klagefinger, der auf andere zeigt, muß freilich rasch auch auf die Medienbrust gerichtet werden: Machen nicht auch immer frivolere Eingriffe in die Rechtssprechung durch Zeitungs-, Radio- und Fernsehberichte das gerechte Urteil immer schwerer? Ist nicht das Richten über eine Mörder-Mörderin, die von der Presse zur wahren Heldin hochstilisiert wird, fast schon zu einer Heldentat geworden?

Viele meinen, man müsse die Unabhängigkeit der Richter durch zusätzliche Normen (etwa eine Politiker-Unvereinbarkeitsklausel, neue Lassersche Artikel oder Disziplinarrechtsverschär-fungen) besser absichern.

Aber kein Gesetz schafft Gesinnungswandel, und auch nicht eine elitäre Selbsterhöhungsideologie: Seht, welch ein ganz besonderer Berufsstand wir doch sind!

Richter sind auch Menschen. Das mag man mit „leider" oder „Gott sei Dank" quittieren. Tatsache ist, daß alle eine Aufrüstung unserer Sozialmoral sehr dringend nötig haben: Politiker, Journalisten, Unternehmer, Gewerkschafter—wir alle. Die Richter also auch.

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