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Lob statt Tadei fur Höchstrichter

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Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs in Sachen Politikerpensionen wurde durch ein „Gesetz“ im Verfassungsrang „repariert“. Ein schlechter Beigeschmack bleibt.

Die Ereignisse dürfen als bekannt vorausgesetzt werden und auch die wichtigste Schlußfolgerung sei außer Streit gestellt: In Zeiten wie diesen geziemt es sich, daß auch pensionierte Politiker eine gewisse Opferbereitschaft an den Tag legen und ihre Ansprüche nicht überziehen.

Der Gesetzgeber tut recht daran, wenn er einen sogenannten Plafond für Fälle vorsieht, wo mehrere Ansprüche nebeneinander bestehen. Es ist auch sicher richtig, eine solche vernünftige Beschränkung notfalls durch ein Verfassungsgesetz abzusichern oder durchzusetzen.

Was freilich mißfallen muß, ist die Schelte, mit der man über die

Hüter unserer Verfassung herfiel. Hätten sie doch — dreimal pfui! — geldgierigen Angehörigen der verhaßten Politikerkaste Superbeträge zijgeschanzt. Wie kann man nur, so tönte es überall, die Frage wohlerworbener Rechte juristisch abhandeln, wenn es sich um geradezu gigantische Pensionshöhen von 200.000 Schilling im Monat handelt?

In unserer Demokratie sind auch Richter nicht unfehlbar, und es ist durchaus legitim, ein Urteil zu kritisieren. Man kann auch zu der Auffassung gelangen, daß die getroffene Entscheidung einen politisch unerwünschten Erfolg auslöst.

Hier muß aber schon die Frage anschließen, ob es überhaupt die Aufgabe eines Höchstgerichtes sein kann, mit seinen Entscheidungen immer dem politischen Wollen der Machthaber zu entsprechen. Wäre dies der Fall, würde ein Verfassungsgerichtshof seiner kontrollierenden Aufgabe wohl nicht gerecht werden. Und man sollte bedenken, daß es Kennzeichen autoritärer Staaten ist, wenn sich auch die Justiz den Machtträgern willfährig unterordnet.

Was soll damit gesagt werden?

Nehmen wir einmal den durchaus denkbaren und möglicherweise bald realistischen Fall an, daß sich sogenannte kleine Leute gegen die Kürzung ihrer Pensionen wehren. Es könnte dies etwa Witwen treffen, die auch eine bescheidene eigene Pension erworben haben, oder zum Beispiel die Eisenbahner, die — was gar nicht so selten vorkommt - nebenbei in einem Privatbetrieb arbeiteten und auch daraus eine kleine Sozialversicherungspension beziehen.

Hätten nun nicht wortgewaltige und tatkräftige Politpensioni- sten, sondern solche Bürger ein paar tausend Schilling vor dem Verfassungsgerichtshof erstritten, dann wäre die Kritik an den Hütern unserer Grundordnung wahrscheinlich ausgeblieben.

Die Frage, ob man bei künftigen Einschränkungen im Pensionssystem sogenannte wohlerworbene Rechte beachten muß oder ob man sich ganz einfach darüber hinwegsetzen kann, ist ja nicht neu und die Zahl derer, die vor willkürlichen Eingriffen warnen, ist nicht gering.

Schließlich und endlich geht es ja auch um den Grundsatz des Vertrauens in den Sozialstaat und darum, ob man sich auf gesetzliche — und solche sind es ja — Zusagen für die alten Tage verlassen kann.

Der Verfassungsgerichtshof hat in juristisch sicher einwandfreier Weise strenge Maßstäbe an Eingriffe in Pensionszusagen gelegt und dabei insbesondere die genaueste Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes vorgeschrieben. Sein Pech sozusagen war, daß es dabei nicht um Normalfälle ging, sondern um Beträge, die dem einfachen Bürger als geradezu unvorstellbar hoch Vorkommen müssen. Dies trübt offenbar den Blick.

Setzen wir unsere Betrachtung also fort: Eine aus der Verfassung abgeleitete Mahnung an den Gesetzgeber, mit Pensionsrechten sorgsam umzugehen, hätte bei den Medien und Spitzenpolitikern jeden Anspruch darauf, gewürdigt zu werden. Sie wird aber, weil es um gutsituierte Mitglieder der Politikergilde geht, geradezu als Provokation empfunden.

Auf die Idee, daß man vor der Inangriffnahme einer höchst heiklen allgemeinen Pensionsreform eine wertvolle Mahnung von den Verfassungshütern erhielt,

kommt offenbar niemand.

Frau Justitia wird mit einer Binde vor den Augen dargestellt,

was bedeuten soll, daß sie nicht auf den Stand derjenigen zu sehen hat, über deren Rechte entschieden wird. Gerade das fordert aber die sogenannte öffentliche Meinung heute im Zusammenhang mit dem Entscheid über Politikerpensionen.

Vor einer solchen Wertung kann man nur eindringlich warnen. Die Richtigkeit juristischer Entscheidungen muß losgelöst vom Beruf und von der Höhe der strittigen Summen gesehen werden. Jede andere Betrachtungsweise müßte den Rechtsstaat selbst in Gefahr bringen!

Der Autor ist Direktor in der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten und Abgeordneter zum Nationalrat.

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