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Moralische Perversion

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Nimmt man die beiden Begriffe Menschenrechte und Südafrika, lo ist es wohl so, daß sich keine einander mehr ausschließenden Inhalte in der heutigen Zeit finden lassen; bezogen auf heute vor allem deshalb, weil sich auch die Greuel des Naziterrors in keine Kategorie einreihen lassen.

Wenn überhaupt Vergleiche auf dem Gebiet der Menschenrechte

zulässig sind, so gilt Apartheid als das Symbol eines menschenverachtenden Systems schlechthin. Sie ist das einzige Unrechtssystem der Welt, in'dem per Gesetz Menschenrechtsverletzungen dekretiert sind.

Warum ist dem so? Betrachten wir einmal das „Rechtssystem“, so stellt sich die Apartheid als ein System von einander abhängigen und aufeinander aufbauenden Teilen dar, das in subtiler Weise die Vorherrschaft einer weißen Minderheit (15 Prozent der Bevölkerung) über eine schwarze Mehrheit (75 Prozent) sichert.

Neben der von der weißen „Regierung“ angewendeten Brachialgewalt stellt das Recht in der Form der südafrikanischen Verfassung, der Rassentrennungsgesetze im engeren Sinn, der Sicherheitsgesetze und des gewöhnlichen Straf- und Verwaltungsgesetzes in zweifacher Weise ein konstituierendes Element dieses Herrschaftssystems dar. Es statuiert dieses System beziehungsweise hindert die Benachteiligten, es in systemkonformer Weise zu verändern, und legitimiert die Brachialgewalt der Herrschenden bei dessen Aufrechterhaltung.

Hier tritt uns Recht als menschenverachtendes Instrument in der Form eines nackten Herrschaftsinstrumentes entgegen.

Und dann wird obendrein postuliert, daß man den „Westen“, „die Freiheit“ und „Demokratie“ gegen den Kommunismus verteidige, wenn man in Wahrheit in die

Steinzeit menschlicher Existenz, in der vielleicht noch Begriffe wie Sklaventum als normal galten, zurückgefallen ist.

Dies dann auch noch als christlich zu bezeichnen, ist der Gipfelpunkt jeglicher moralischer Perversion.

Auf der anderen Seite dieses Unrechtskomplexes steht das Völkerrecht mit all seinen Normen, als dessen Negierung und Umkehr Apartheid gelten kann. Es dient als Grundlinie und Parameter für die Verurteilung des Apartheidsystems auf internationaler und nationaler Ebene.

Der Generalsekretär der katholischen Bischofskonferenz Südliches Afrika, Smangaliso Mkhatshwa, wurde seit 1976 wiederholt verhaftet und gefoltert, und die österreichische Sektion von Amnesty International hat sich seiner Person angenommen. Die „Sicherheitsgesetze“ geben dem zuständigen Minister die Möglichkeit, auch über Kinder eine 180 Tage dauernde Einzelhaft zu verhängen. Wohlgemerkt, das sind Gesetze und nicht zufällige Grausamkeiten vereinzelter Beamter. Kinder und Jugendliche zählen zu den bevorzugten Opfern der Apartheid.

Die Ideologie, daß es „rassisch minderwertige“ Menschen gibt, kennt man in Europa vom Nationalsozialismus her. Im Prinzip haben die herrschenden Weißen in Südafrika dieselbe Einstellung, nur daß man schwarze Arbeitskräfte sehr wohl noch benötigt und noch immer ausbeutet.

Das „Nie wieder“, das jeder Demokrat, jeder Christ und Sozialist, jeder Mensch dem entgegenhalten muß, darf sich nicht nur auf das reine Mitfühlen beschränken.

Im Gegenteil, alle Mittel sind einzusetzen, vom Boykott bis hin zu Spenden an relevante Organisationen, die aktiv gegen die Apartheid arbeiten. Dies ist nicht ein Menschenrecht, sondern eine Menschenpflicht.

Der Autor ist Mitarbeiter des moskauorientierten Wiener Internationalen Instituts für den Frieden.

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