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Mühsamer Countdown

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Der Countdown für die Umstellung auf das Mehrwertsteuersystem in Österreich ist abgelaufen, der ganz große Ärger kann beginnen. Obwohl die Probleme, die mit dem konjunkturpolitisch falschen Einführungstermin und mit dem gewiß viel zu hohen Satz der Mehrwert- und der „Investitionssteuer“ zusammenhangen, längst noch nicht ausdiskutiert sind, hat sich nun die Diskussion ganz eindeutig auf die einzelwirtschaftliche Ebene verlagert. Infolge der viel zu kurzen Umstellungszeit hat das neue Steuersystem in allen Bereichen der Betriebswirtschaft eine Unzahl von durchaus vermeidbaren Schwierigkeiten ausgelöst. Auch die instruktivsten Fachbücher, die gelehrigsten Vortragsabende von in den letzten Monaten stets ausgebuchten Steuer-referenten der Bundeshandelskammer und die kompliziertesten Kurse konnten die bedauerlicherweise viel zu kurze Vorbereitungszeit auf das neue Steuersystem nicht wettmachen: die Regierung diktierte, die parlamentarische Mehrheit beschloß und die Finanz Verwaltung, die Angestellten und die Unternehmer wurden in ein neues Steuersystem gehetzt, dessen Feinheiten allen noch mehr oder weniger verschlossen sind.

Obwohl es bei den Umsätzen zwischen Unternehmern grundsätzlich keine Steuer mehr geben wird, sind infolge der Handhabung des Mehrwertsteuersystems mehr Personen mit der Steuer befaßt als bisher, weil das Gesetz nach wie vor die Zahlung der Steuer für jede Leistung verlangt. Daneben wird eine Reihe von Personen damit beschäftigt sein müssen, alle eingehenden Rechnungen auf die in ihnen enthaltene Umsatzsteuer zu prüfen, ihre umsatzsteuerlich formale Richtigkeit festzustellen und den Rückerstattungsbetrag (Vorsteuerabzug) zu ermitteln.

Die betrieblichen Beschaffungsabteilungen waren in den letzten Wochen bemüht, mögliche Nettoeinkaufspreise nach dem 1. Jänner 1973 auszurechnen. Durch den Wegfall der Kumulativwirkung des alten Systems und der Ausgleichssteuer war zu untersuchen, ob nach dem 1. Jänner 1973 nicht andere Bezugsquellen, sei es im Inland oder im Ausland, herangezogen werden sollen. Ferner mußte zur Überlegung stehen, ob sich nicht die Entscheidung zwischen Selbsterstellung und Fremdbezug zugunsten des Fremdbezuges ändern sollte. Da für die Anerkennung der Vorratsentlastung seitens der Finanzbehörden der Buchnachweis gefordert wurde, hatten die Beschaffungsabteilungen die erforderlichen Unterlagen (trotz des Weihnachtsgeschäftsrummels) zu besorgen. Von besonderer Wichtigkeit aber war die Vorbereitung auf die Durchführung notwendiger Eingangsrechnungskontrollen. Den n es wird insbesondere in der Zeit unmittelbar nach Einführung des Mehrwertsteuersystems notwendig sein, streng vorzugehen und jede Faktura, die nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht, dem Lieferanten zur Korrektur zu retournie-ren. Jede nicht dem Gesetz entsprechende Rechnung kostet das Unternehmen 8 beziehungsweise 16 Prozent des Nettorechnungsbetrages an nicht abziehbarer Vorsteuer.

Die betrieblichen Kostenrechnungsabteilungen waren in den letzten Wochen insbesondere damit beschäftigt, die in der Betriebsabrechnung verrechneten Kosten um die bisherige Umsatzsteuerbelastung zu bereinigen und den geänderten Verhältnissen angepaßte Kalkulationssätze zu ermitteln. Von Bedeutung für die zukünftige Ertragslage von Unternehmen ist aber auch die von der Kalkulationsabteilung zu treffende Vorbereitung zur Rechtfertigung allfälliger betriebsindividueller Preisentlastungssätze nach dem neuen Preisbestimmungsgesetz.

Aus dem reichhaltigen Katalog der neuen Probleme wurden in diesem Zusammenhang nur die größten Brocken herausgenommen und angedeutet. Zu bedenken ist insbesondere auch: die Vorbereitungszeit der österreichischen Wirtschaft auf diese Probleme war kurz, viel zu kurz. Keine Regierung der westlichen Hemisphäre hätte es auch nur im Gedanken riskiert, eine so kurze Zeit, kaum sechs Monate, für eine so weitreichende Steuerreform zu reservieren.

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