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Neue Beziehung Stadt - Land

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Vom 13. bis 15. Oktoberfand in Eugendorf bei Salzburg die von der österreichischen Gesellschaft für Land- und Forstwirtschaft veranstaltete Tagung,,Ländlicher Raum -Fortschritt wohin?" statt. Prof. Freisitzer stellte in seinem Vortrag, der hier auszugsweise wiedergegeben wird, eine Trendwende fest. Es fehlte beider Veranstaltung aber auch nicht an Hinweisen auf bedenkliche Trends, wieder zweite Beitrag auf dieser Seite zeigt.

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Vom 13. bis 15. Oktoberfand in Eugendorf bei Salzburg die von der österreichischen Gesellschaft für Land- und Forstwirtschaft veranstaltete Tagung,,Ländlicher Raum -Fortschritt wohin?" statt. Prof. Freisitzer stellte in seinem Vortrag, der hier auszugsweise wiedergegeben wird, eine Trendwende fest. Es fehlte beider Veranstaltung aber auch nicht an Hinweisen auf bedenkliche Trends, wieder zweite Beitrag auf dieser Seite zeigt.

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Die mit der Industrialisierung in Mitteleuropa ganz stark einsetzende Wanderungsbewegung in die Industriezentren und in die Städte war in gewissem Ausmaß - abgesehen von der naheliegenden Inanspruchnahme neuer ökonomischer Möglichkeiten - auch die Folge eines „Irrtums" der in die Städte ziehenden agrarischen Bevölkerung.

Die an sich Besitzlosen bzw. die weichenden Erben vermuteten fälschlich in ihren neuen industriellen Arbeitsplätzen ökonomische „Vollstellen" im

Sinne der Übernahme eines Bauernhofes. Üblicherweise war nämlich mit der Übernahme eines Bauernhofes die Gründung einer eigenen Familie verbunden. Kein Wunder, daß diese Möglichkeit einen beträchtlichen Anreiz zum Umzug in die Stadt schuf, wenn man weiß, daß in der Landwirtschaft in der Regel lediglich die Hoferben heiratsfähig waren und meist kinderreiche Familien gründen konnten.

Nach der daraus resultierenden Bevölkerungsexplosion pendelte sich jedoch das generative Verhalten der Industriearbeiter allmählich auf die wirtschaftliche Realität ein. Das Massenelend wurde durch die politischen Erfolge der Arbeiterbewegung allmählich zurückgedrängt. Die Arbeiter wurden somit in den Industriestaaten zu einem wichtigen politischen Faktor. Je klassenkämpferischer in diesen Zeiten die Töne waren, desto stärker waren auch gewisse abwertende Tendenzen gegenüber dem Bäuerlichen.

Der Stadt-Land-Gegensatz hat weit zurückreichende Wurzeln, die in der Sprache ihren deutlichen Ausdruck finden. So ist z. B. das Wort „urban"

(städtisch) noch immer..................................M

mit der Vorstellung von gebildet, geistreich, verfeinert, weltgewandt usw. verknüpft, und dies im ganz deutlichen Gegensatz zum Rura-len, also dem Ländlichen, dem Bäuerlichen. Im Laufe der Entwicklung hat sich hier jedoch viel geändert, in erster Linie wegen der starken Aufwertung der bäuerlichen Berufsausbildung. Daran orientiert sich ein gerüttelt Maß der Trendwende.

Denn in der arbeitsteiligen industriellen Gesellschaft, die vor allem durch Spezialistentum charakterisiert ist, wird der Bauer als einer der wenigen letzten sogenannten Universalisten langsam zum Objekt der Bewunderung. Man findet ja tatsächlich immer weniger Menschen, die sehr viele verschiedene und anspruchsvolle Tätigkeiten beherrschen. Natürlich wird diese Trendwende gegenüber dem Ländlichen und ge-

genüber dem Bauern noch dadurch unterstützt, daß die umweltgeschädigten Städter den Wert unserer Kultur- und Erholungslandschaft allmählich anders zu beurteilen beginnen.

In unserer weithin reglementierten Gesellschaft leuchtet auch mehr und mehr Menschen ein, daß selbstbestimmte und selbsteingeteilte Arbeit gegenüber der fremdbestimmten und fremdeingeteilten für sich ein hoher Wert sein kann. Und das ist ganz typisch für die bäuerliche Welt, deren Arbeitsläufe zwar weithin von der Natur

aber weniger von Vorgesetzten (also von Menschen) mitbestimmt sind.

Schließlich sind auch alternative Lebensformen im Freiheitsraum bäuerlichen Daseins viel eher verwirklichbar -ganz abgesehen von den Möglichkeiten der Selbstversorgung in besonders schweren Notzeiten.

Möglicherweise charakterisiert auch diese Pendelrückbewegung des Zeitgeistes eine gewisse Realitätsferne. Man wird abwarten müssen, inwieweit zukünftig die Vorteile des Landlebens beständigere Verhaltensänderungen bei den Städten hervorrufen.

Aber ein Trend zugunsten des Landes ist da. Das sah schon Peter Roseg-ger 1888 vorher. Er sagte: „...es wird eine Zeit sein, da werden die wohlhabenden Stadtleute sich Bauerngründe kaufen und bäuerlich bewirtschaften, Arbeiter sich solche aus der Wildnis roden und reuten. Sie werden auf Vielwisserei verzichten, an körperlicher Arbeit Gefallen finden ..."

Diese Zeit ist nun angebrochen. Was daraus gemacht wird, ist eine weichenstellende Herausforderung unserer Zeit.

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