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Nur keine Show bitte!

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Auch wenn manche Professoren an den hohen Schulen einen überschrittenen Höhepunkt oder gar das Ende der neuen Friedensbewegung registrieren: es gibt sie noch die Friedensbewegten, Wehrdienstverweigerer und gläubigen Pazifisten. Gerade jetzt - unmittelbar vor Beginn der Vorbereitungskonferenz für das Wiener Folgetreffen der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) — geben sie wieder kräftige Zeichen.

Handelt endlich! So kann man das gemeinsame Motto all jener Gruppen umschreiben, die ihre Aktivitäten für den November in Wien ausrichten. Um mehr als nur organisatorische Fragen, die das für zwei Wochen angesetzte Vorbereitungstreffen ab 23. September bestimmen werden, geht es dem Österreich-Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes mit seiner Ausrichtung eines internationalen Treffens von Wehrdienstverweigerern aus Ost und West:

Ebenso schiebt die Arbeitsge- j meinschaft Unabhängiger Frie-densinitiativen in Österreich (UFI) protokollarische Fragen an die zweite Stelle, wenn es um die Organisation einer Kundgebung und Demonstration zum Auftakt des KSZE-Treffens in Wien geht; einen Impuls für „Entspannung von unten“ will die Arbeitsgemeinschaft Katholische Jugend Österreichs (AKJÖ) bei ihrer Friedenswoche vor der Wiener Konferenz geben; und schließlich hat der ökumenische Rat der Kirchen in Österreich mit der österreichischen Bischofskonferenz eine offizielle Arbeitsgruppe gebildet, die den Wiener Dialog — der wahrscheinlich bis Ende 1987 dauern wird — begleiten soll.

Die „Basis“ rührt sich. Wenn es um die Zukunft Europas geht, fühlen sich viele Europäer unterschiedlicher weltanschaulicher, religiöser und politischer Herkunft legitimiert, in eigener Sache ein Wörtchen mitzureden.

Wie aus diplomatischen Kreisen zu vernehmen ist, bringt man seitens der Vertreter Westeuropas beim Wiener KSZE-Folgetreffen solchen Aktivitäten durchaus Interesse, manchmal vielleicht sogar Wohlwollen entgegen. Im Zusammenhang mit den bisherigen KSZE-Folgetreffen, Expertentreffen und Symposien sind die Teilnehmer aus den 35 Staaten von Basis-, Friedensund Menschenrechtsbewegungen einiges gewohnt. Auch für Wien werden ganz massive Demonstrationen, Hungerstreiks und ähnliches- vor allem gegen die Sowjetunion gerichtet — erwartet.

Dringen aber Anliegen der „Basis“ überhaupt bis zu den KSZE-Delegierten vor? Werden Aktionen und Demonstrationen ernst genommen? Bloße Polit-Show und PR-Arbeit hinterläßt oft — so ein erfahrener österreichischer Diplomat — „einen schalen Geschmack“. „Wenn allerdings Demonstrationen in würdiger Form durchgeführt werden, dann macht das schon großen Eindruck auf die Delegationen.“

In Wien werden Demonstrationen im Zusammenhang mit dem KSZE-Treffen sicherlich zugelassen werden, auch wenn manches gewissen Delegationen nicht konvenieren sollte. „Von einer Beeinträchtigung des Konferenzklimas kann diesbezüglich keine Rede sein“, meint ein österreichischer Diplomat. Er plädiert übrigens sehr für „solche Sachen“, um gerade jetzt der Welt zu zeigen, „welches Klima der Toleranz, der Offenheit und Problembewußtheit hier in Österreich herrscht“.

Man sollte die Bemühungen der „Basis“ im Umfeld des KSZE-Prozesses nicht zu gering schätzen. Realistischerweise wird man eine unmittelbare Beeinflussung der Delegierten wohl nicht annehmen dürfen. Aber die Gespräche um Vertrauen, Sicherheit, Abrüstung und Zusammenarbeit sind auch nur so viel wert, wie sie eben im konkreten Leben der europäischen Völker umgesetzt werden. So gesehen spielen Basisbewegungen manchmal nicht nur die Rolle des Initiators oder Impulsgebers, sondern vor allem die des Multiplikators und Bewußtseinsbildners.

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