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Ein Teilerfolg und teils eine Enttäuschung...

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„Die Verbindung der Menschenrechte mit dem Entspannungsprozeß ist in den letzten Jahren in einer Weise erfolgt, daß ohne Menschenrechte eine Weiterentwicklung der Entspannung nicht mehr möglich ist“, erklärte Gesandter Dr. Franz Ceska in einem Vortrag auf Einladung der Politischen Akademie der ÖVP. Ceska, der auf der Belgrader Folgekonferenz Mitglied der österreichischen Verhandlungsdelegation war, ist der Überzeugung, daß seit Helsinki auch im Osten „Zeichen des guten Willens“ gesetzt wurden. Energisch widersetzt er sich der wiederholt kolporierten Meinung, Belgrad sei ein einziges Fiasko gewesen: „Zu Resignation und Pessimismus ist kein Anlaß ... ein langfristiges Weiterwirken von Helsinki ist sichergestellt.“ Und: „Es war ein Teilerfolg und es war eine teilweise Enttäuschung.“

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„Die Verbindung der Menschenrechte mit dem Entspannungsprozeß ist in den letzten Jahren in einer Weise erfolgt, daß ohne Menschenrechte eine Weiterentwicklung der Entspannung nicht mehr möglich ist“, erklärte Gesandter Dr. Franz Ceska in einem Vortrag auf Einladung der Politischen Akademie der ÖVP. Ceska, der auf der Belgrader Folgekonferenz Mitglied der österreichischen Verhandlungsdelegation war, ist der Überzeugung, daß seit Helsinki auch im Osten „Zeichen des guten Willens“ gesetzt wurden. Energisch widersetzt er sich der wiederholt kolporierten Meinung, Belgrad sei ein einziges Fiasko gewesen: „Zu Resignation und Pessimismus ist kein Anlaß ... ein langfristiges Weiterwirken von Helsinki ist sichergestellt.“ Und: „Es war ein Teilerfolg und es war eine teilweise Enttäuschung.“

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FURCHE: Viele Zeitungsberichte über die Belgrader Nachfolgekonferenz haben den Eindruck entstehen lassen, in Belgrad seien die in Helsinki geweckten Hoffnungen wieder zu Grabe getragen worden. Sie, Herr Gesandter, meinen jedoch, zu Resignation und Pessimismus sei kein Anlaß, das langfristige Weiterwirken von Helsinki sei sichergestellt ...

CESKA: Das Belgrader Treffen hat im wesentlichen drei Aufgaben gehabt: Die eine Aufgabe war eine Bilanzziehung über die bisherige Durchführung der Schlußakte. Es hat eine eingehende, zum Teü auch recht harte aber sicher sehr nützliche Bestandsaufnahme stattgefunden. Diese Aufgabe konnte das Belgrader Treffen erfüllen. Die zweite Aufgabe war, durch Beschlüsse über die weiteren Konferenzfolgen - insbesondere über das nächste Treffen - sicherzustellen, daß der KSZE-Prozeß sich auch von dieser Seite fortsetzt. Auch das ist gelungen. Denn wir haben uns unter anderem einigen können, daß das nächste Folgetreffen in Madrid im Herbst 1980 stattfinden wird.

Nur in einem Bereich - ich gebe zu, in einem wichtigen Bereich - haben sich unsere Erwartungen nicht erfüllt: Das dynamische Element unseres Auftrags ist zwar eingehend diskutiert worden, aber wir haben keine Einigung darüber erzielt, welche in die Zukunft wirkenden Maßnahmen in dem abschließenden Dokument schriftlich festgehalten werden sollen. Fazit: Es war ein Teilerfolg und es war eine teilweise Enttäuschung.

FURCHE: Nehmen wir einmal den Bereich der Bilanzziehung: Hier geht es im Kern doch um eine ideologische Auseinandersetzung zwischen Ost und West. Wie sieht hier die Bilanz aus. Sind Zeichen des guten Willens seitens des Ostens zu sehen?

CESKA: Es sind sehr wohl Zeichen des guten Willens zu sehen und es sind sehr konkrete Meißnahmen von sämtlichen Teilnehmerstaaten, auch den Warschauer-Pakt-Staaten, gesetzt worden. Aber gleichzeitig gibt es auch sehr viel, was unserer Ansicht nach nicht oder noch nicht realisiert wurde. Man muß sich auch hier genauso wie in anderen Bereichen der Schwarzweißmalerei enthalten. Es ist vieles geschehen, vieles bleibt aber noch zu tun. Wir haben unsere Meinung klar zum Ausdruck gebracht, aber überflüssige Po-

lemik vermieden. Wir waren uns bewußt, daß die völlige Verwirklichung der Helsinki-Schlußakte ein Langzeitprogramm ist.

FURCHE: Kann man das etwas konkreter formulieren: In welchen Punkten sind die Warschauer-Pakt-Staaten einer Realisierung der Helsinki-Beschlüsse näher gekommen, in welchen Punkten ist das weniger gelungen?

CESKA: Es gibt zum Beispiel Tausende Fälle von Familienzusammenführungen über die Grenzen hinweg, die zufriedenstellend gelöst wurden. Ich bin überzeugt, daß diese Fälle in der Weise nicht - oder zumindest weniger rasch - einer Lösung zugeführt worden wären, wenn es die Helsinki-Schlußakte nicht gegeben hätte. Es gibt Eheschließungen über die Grenzen hinweg, es gibt im gesamten humanitären Bereich positive Phänomene.

FURCHE: In welchen Bereichen hat man sich nun auf Grund der Helsinki-Schlußakte ein schnelleres Vorwärtskommen erwartet?

CESKA: Zum Teü auch im Bereich der menschlichen Kontakte. Man könnte sich zum Beispiel sehr gut vorstellen, daß Ansuchen auf endgültige Auswanderung schneller und grundsätzlich positiv erledigt werden, oder daß etwa die Gebühren für Reisedokumente, die in manchen Ländern ein

Vielfaches eines Monatsgehaltes ausmachen, drastisch gesenkt werden. Es gibt auch im Bereich der Information noch sehr unbefriedigende Situationen, wenn man etwa an die Konditionen der Auslandskorrespondenten in manchen Teilnehmerstaaten der KSZE denkt.

FURCHE: Das Interesse der Sowjetunion an der Abhaltung von Konferenzen wie in Helsinki und Belgrad hat ja

doch nachgelassen, auch im Westen hat sich die Einstellung den Sicherheitskonferenzen gegenüber gewandet. Worauf ist das zurückzuführen?

CESKA: Ich möchte sagen, daß auch die Sowjetunion und ihre Verbündeten sich nach wie vor zum KSZE-Prozeß und zur vollen Verwirklichung sämtlicher Teile der Schlußakte bekennen. Aber es ist richtig, daß sich in der Einstellung zu den weiteren Konferenzfolgen eine Änderimg ergeben hat. Der Westen hat ein bedeutend stärkeres Interesse dafür entwickelt, diesen KSZE-Prozeß zu perpetuieren, gleichzeitig ist der Enthusiasmus der Warschauer-Pakt-Staaten, den sie noch zu Beginn der KSZE in Genf hatten, unzweifelhaft zurückgegangen.

FURCHE: In Belgrad ist es auch zur Beschlußfassung eines gemeinsamen Schlußdokumentes gekommen. Dieses Dokument wurde in der Öffentlichkeit mehrfach kritisiert und als inhaltslos dargestellt. Es wurde auch kritisiert, daß das Wort Menschenrechte“ darin nicht mehr ausdrücklich vorkommt. Wie ist das Schlußdokument nun zu werten?

CESKA: Ich teile die Meinung absolut nicht, daß das Schlußdokument von Belgrad inhaltslos ist. Es ist ein kurzes Dokument, das stimmt. Aber es hat sehr wohl einen Inhalt, der über das kommuniquehafte hinausgeht. Ein durchaus gehaltvolles Dokument also, was nicht heißt, daß wir uns nicht

ein noch viel gehaltvolleres Dokument hätten vorstellen können.

FURCHE: Welche Rolle hat die österreichische Verhandlungsdelegation in Belgrad gespielt? Von Österreich ist ja auch eine Reihe von Vorschlägen in die Debatte eingebracht worden ...

CESKA: Österreich hat schon traditionell seit Beginn der KSZE in Helsinki und Genf eine sehr aktive und initiative Rolle gespielt. Wir sind in Belgrad speziell mit Initiativen im Bereich der wirtschaftlichen und/technologischen Zusammenarbeit herausgekommen, wir haben Vorschläge im Energiebreich, im Verkehrsbereich und bezüglich der Förderung des Handels gemacht. Wir haben gemeinsam mit anderen neutralen und paktungebundenen Staaten Vorschläge im Bereich der müitärischen „vertrau-ensbüdenden Maßnahmen“ und zu Abrüstungsfragen unterbreitet,

ebenso im Bereich der Kultur.

FURCHE: Österreich hat in Belgrad eine Reihe sogenannter vertrauensbildender Maßnahmen zur Diskussion gestellt. Sie nennen das eine Politik der kleinen Schritte. Worin besteht diese Politik?

CESKA: Diese vertrauensbüdenden Maßnahmen im müitärischen Bereich sind bereits in den Schlußakten von Helsinki enthalten. Es handelt sich dabei vor allem um die Ankündigung größerer militärischer Manöver, um den Austausch von Beobachtern, auch um die freiwülige Ankündigung von müitärischen Bewegungen. Hier hat man zwischen Helsinki und Belgrad im großen und ganzen recht gute Erfahrungen gemacht. Allerdings hat die Praxis gezeigt, daß in der Art der Verwirklichung dieser Maßnahmen etliche Verbesserungen möglich sind.

FURCHE: Was die Fortentwicklung der KSZE-Thematik betrifft, sagen Sie ja, daß in Belgrad das dynamische Element gefehlt habe. Welche Erwartungen setzen Sie nun in die nächste Konferenz in Madrid?

CESKA: In Belgrad ist es uns leider nicht gelungen, uns auf dynamische Maßnahmen zu einigen, die in die Zukunft deuten und die dem Entspannungsprozeß neue Impulse verleihen würden. Das ist bedauerlich. Um so wichtiger erscheint es uns, daß in Madrid das gelingt, was in Belgrad nicht gelungen ist.

Das Gespräch mit Gesandten Dr. Franz Ceska führte Alfred Grinschgl.

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