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Schule des Vertrauens

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Am 4. November beginnt in Wien das 3. Folgetreffen der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Ein Tagungsende ist nicht fix. Open-End für Entspannung?

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Am 4. November beginnt in Wien das 3. Folgetreffen der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Ein Tagungsende ist nicht fix. Open-End für Entspannung?

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Ursprünglich wollte man das 3. KSZE-Folgetreffen (nach Belgrad 77/78 und Madrid 80/83) in Wien schon im neuen österreichischen Kongreßzentrum bei der UNÖ-City eröffnen. Aber - Symbol für die Entspannung - die Fertigstellung hat sich verzögert. Gut Ding braucht eben Weüe. Und Zeit hat man in Wien für die Gespräche um Fragen der Sicherheit in Europa, vertrauensbildende Maßnahmen, Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem, wissenschaftlichem und technischem Gebiet sowie um Kooperation in humanitären Bereichen — was kursorisch den Inhalt der drei Helsinki-Körbe ausmacht - genug eingeplant. Die bisherigen Folgetreffen zeigen ja, daß unter Zeitdruck kaum etwas herauskommt.

Allerdings hat sich nicht selten auch Endlosigkeit der Gespräche als Hemmschuh für konkrete Ergebnisse erwiesen. Und konkrete Ergebnisse — die interessieren in erster Linie die Menschen in einem vor allem nach militärischen Interessen geteüten Europa.

Das Arbeitspensum für die Wiener Folgekonferenz ist enorm: Neben einer Bestandsaufnahme über die tatsächliche Erfüllung der Absichtserklärungen der 35 Unterzeichnerstaaten des Helsinki-Abkommens (alle europäischen Staaten außer Albanien plus USA und Kanada) geht es auch um die seit Madrid durchgeführten vier Expertentreffen über friedliche Streitbeüegung, Zusammenarbeit im Mittelmeerraum, Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie über menschliche Kontakte.

In Wien gut es zudem die wichtige Erfahrung des Kulturforums vom vergangenen Jahr in Budapest aufzuarbeiten, bei dem - neben offiziellen Delegierten der Staaten - erstmals auch die Betroffenen selbst, Künstler und Kulturschaffende, zu Wort kamen.

Die Großmächte - das zeichnete sich mittlerweüe sowohl in deren Politik als auch bei der in Stockholm seit Anfang 1984 stattfindenden Konferenz für vertrauens-und sicherheitsbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa (KVAE) ab - sehen oder wollen den Entspannungsprozeß einerseits durch transparenzfördernde Maßnahmen (US/NATO-Staaten), andererseits durch „Beschränkungen“ wie Gewalt-, Erstschlag- und Weltraumrüstungsverzicht (UdSSR), gewährleistet sehen.

Allerdings stehen trotz des konträren Ansatzes die Zeichen für die Wiener Konferenz nicht gar zu schlecht. Man wird noch das eventuelle Schlußdokument der KVAE, die am 19. September mit ihrer ersten Phase zu Ende geht, abwarten müssen.

Wenn man sich in Stockholm über die Vorankündigung militärischer Aktionen, einen Jahreskalender mit Vorankündigung von Großmanövern, die gegenseitige Einladung von Beobachtern zu militärischen Aktionen, die Bekräftigung eines Gewaltverzichtes, die Ankündigung kurzfristig angesetzter militärischer Übungen sowie über die äußerst umstrittene Frage der Verifikation einigt oder wenigstens Richtungen für eine Lösung angibt, dann ergibt das für Wien eine Basis, auf der man weiterarbeiten kann und sollte. Allerdings ist trotz des Endtermins von Phase eins der KVAE ein Ende noch nicht abzusehen. Verhandlungen für Phase zwei, .Abrüstung“, stehen noch in weiter Ferne.

Der Leiter der österreichischen Delegation beim Wiener KSZE-Treffen, Botschafter-Dr. Rudolf Torovsky (jetzt bei der KVAE), wünscht sich offene, konstruktive und sachliche Gespräche. Dabei wird man sämtliche, bisher im KSZE-Prozeß angegangenen Probleme berücksichtigen müssen. Läuft es nämlich so, daß bestimmte Schwerpunkte (hier wirtschaftliche Kooperation, da Menschenrechte) propagandistisch genützt werden, steht ein Feüschen um Begriffe bevor.

Vielleicht können die sogenannten N + N-Staaten (die Neutralen und und Blockfreien, zu denen Österreich gehört) mit einer Politik der kleinen Schritte Erfolge erzielen, indem sie über Vorschläge in Richtung verstärkter kultureller Zusammenarbeit eine Gesprächsatmosphäre schaffen, die Erfolge begünstigt.

Für Fortgang und Erfolg des Dialogs in Wien werden natürlich die Eröffnungserklärungen mit anschließender Implementierungsdebatte (eine bis etwa Weihnachten anberaumte Phase des Wiener KSZE-Treffens) entscheidend sein. Wünschenswert wäre Teilnahme der Außenminister der 35 Teilnehmerstaaten — vom österreichischen Exekutivsekretariat für die Vorbereitung der Konferenz wird eine Teilnahme der Außenminister bei der Eröffnung nicht ausgeschlossen -, um gewisse Tendenzen und Absichten von vornherein auf höchster Ebene darzulegen.

Es könnte auch von Vorteil sein - manche werden das allerdings als Erfolg sowjetischer Propaganda bewerten, falls es dazu käme —, wenn sich die europäischen Staaten mehr auf ihre europäische denn anderweitige Interessengemeinschaft besännen. Aber nach wie vor ist der KSZE-Prozeß zu sehr vom Ost-West-Hader überlagert. Man kann davon auch gar nicht absehen. Aber die KSZE-Treffen müßten mehr das gesamteuropäische Anliegen zum Inhalt haben — auch wenn am europäischen Kontinent die Sowjetunion Platzvorteil genießt.

Verbale und handfeste Kraftakte nützen nichts. Einzig das Gespräch dient dem Uberleben.Solange man miteinander spricht, hat Frieden eine Chance. So gesehen gut die Forderung: Ein öpen-end für den Dialog, ein öpen-end für die Entspannung!

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