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Sprecher fur Europa

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Der weitere Verlauf der Europäischen Sicherheitskonferenz, die gerade ihren Sommerurlaub antrat, beschäftigt zur Zeit sehr stark die französische Diplomatie. Diese Frage war dementsprechend so gut wie ausschließlich das Gespräch von Bundesaußenminister Genscher mit seinem französischen Kollegen Sauvagnargues vor kurzer Zeit in Paris gewidmet. Vorher schon unterhielt sich darüber der sowjetische KP-Chef Breschnew mit dem französischen Außenminister.

Auch der deutsche Bundeskanzler und der französische Präsident widmeten sich dieser Angelegenheit während des deutsch-französischen Gipfeltreffens. Außerdem war dieses Problem der wichtigste Grund für die Europarundreise des amerikanischen Außenministers Kissinger nach dem Moskau-Besuch Nixons. Es geht Um die Definition einer gemeinsamen westlichen Haltung, die es nach amerikanischer Ansicht gestatten soll, die Konferenz im Herbst mit einem großen Gipfeltreffen in Helsinki zu beenden.

Die französische Diplomatie fühlt sich wohl oder übel verpflichtet, auf einige Realitäten Rücksicht zu nehmen. Nixon hat Breschnew die von ihm schon lange gewünschte Gipfelkonferenz zugesagt. Washington betont neuerdings deutlicher denn je, daß es die Europäische Sicherheitskonferenz nicht gewollt und bereits in der Vorbereitungsphase innerhalb der NATO dem europäischen Drängen nachgegeben hatte. Im Weißen Haus erwartet man von ihr nichts und mißt ihr auch keine Bedeutung bei.

Deswegen hat man dort wenig Verständnis für endlose Diskussionen über den freien Austausch der Menschen und Ideen und ist davon überzeugt, daß sich dadurch die Sowjets in keiner Weise beeindrucken lassen. Die Vereinigten Staaten stellen ihre Partner daher vor die Alternative, entweder die erforderlichen Zugeständisse zur Beendigung der Konferenz zu machen oder die Verantwortung für ihren Fehlschlag zu übernehmen.

Frankreich glaubt, das Risiko der zweiten Lösung nicht eingehen zu können, denn es will an der Entspannungspolitik festhalten und darf es sich nicht erlauben, die Sowjetunion zu provozieren. Es befürchtet nicht zuletzt, daß ein Scheitern der Konferenz im Zusammenhang mit dem Zugangskonflikt um Berlin zu einer neuen und bedenklichen Berlin-Krise führen würde.

Anderseits besteht kein Zweifel daran, daß Washington für seine weiteren Verhandlungen mit der Sowjetunion auf einen einigermaßen befriedigenden Abschluß der Konferenz angewiesen ist und in diesem Sinne auf die europäischen Regierungen einen nicht geringen Druck ausübt.

Paris weiß, daß es die Bundesrepublik nicht auf eine Kraftprobe mit den Vereinigten Staaten ankommen lassen will. Es möchte seinerseits hie-mit weder das französisch-amerikanische und noch weniger das deutsch-französische Verhältnis belasten. Eine gemeinsame europäische Haltung erscheint ihm außerdem wichtiger, als die Verteidigung eigener Thesen. Daher ist die franzö-siche Diplomatie zu einer Kompromißlösung bereit unter der Voraussetzung, daß sie von allen europäischen Partnern gebilligt wird und die Gemeinschaft auf der Gipfelkonferenz in Helsinki geschlossen auftritt.

Die Ausarbeitung übereinstimmender europäischer Richtlinien gilt als eilig, weil sich Kissinger bereits als Mittler zwischen Moskau und dem europäischen Westen angeboten hat. Diese Rolle will ihm Frankreich auf keinen Fall zugestehen, denn sie käme fast schon einer Bestätigung des sowjetisch-amerikanischen Kondominiums gleich.

In der letzten Verhandlungsphase sollen nach den französischen Vorstellungen die Europäer energische Anstrengungen unternehmen, um für den freieren Austausch der Menschen und Ideen ein Maximum herausholen, ohne sich über ihre Erfolgsaussichten große Illusionen zu machen. Unbedingt gefordert werden muß eine angemessene Erwähnung des Rechts auf friedliche Grenzänderungen. Ebenso muß ein sowjetischer Verzicht auf die Bildung eines ständigen europäischen Sicherheitsgremiums angestrebt werden, das Moskau gestatten würde, sich dauernd in die europäische Einigungspolitik einzumischen.

Die amerikanische Unterstützung wurde für diese beiden Ziele fest zugesagt. Nicht zuletzt einem Wunsche der Bundesrepublik entsprechend, wird sich nach Aushandlung des Kompromisses der französische Präsident an der feierlichen Unterzeichnung des Schlußprotokolls in Helsinki beteiligen, dies in Abkehr von der französischen Einstellung, wie sie bisher galt.

Er will aber diese Gelegenheit benützen, deutlich auf die allzu bescheidenen Ergebnisse der Sicherheitskonferenz hinzuweisen und davor zu warnen, in ihr einen Wendepunkt der Europapolitik zu sehen. Für Frankreich bildet sie nur eine kleine Etappe auf dem unverändert schwierigen Weg zur Entspannung. Die europäischen Parnterstaa-ten sollen ähnliche Erklärungen abgeben. Besonders begrüßen würde es Frankreich, wenn sein Präsident im Namen der Gemeinschaft sprechen könnte.

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