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Vorleistung für Gipfelspektakel?

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Im Grunde ist nichts geschehen. Aber weil nichts geschehen ist, soll etwas geschehen. Das ist die Lage, in der die „Sicherheitskonferenz“ beschlossen hat, die Genfer Kommissionsberatungen vor der Sommerpause noch einmal um zwei Wochen zu verlängern. Dahinter steht die Erwartung, nunmehr einen'Durchbruch zu erreichen, der einen zügigen Endspürt rechtfertigt.

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Im Grunde ist nichts geschehen. Aber weil nichts geschehen ist, soll etwas geschehen. Das ist die Lage, in der die „Sicherheitskonferenz“ beschlossen hat, die Genfer Kommissionsberatungen vor der Sommerpause noch einmal um zwei Wochen zu verlängern. Dahinter steht die Erwartung, nunmehr einen'Durchbruch zu erreichen, der einen zügigen Endspürt rechtfertigt.

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Worauf sich diese Hoffnung der Sache noch stützt, ist nicht zu erkennen. Seit Monaten tritt die Konferenz auf der Stelle. Nach wie vor sucht die Sowjetunion die Sanktionierung ihrer Vorherrschaft im östlichen Mitteleuropa zu erreichen und handfesten Zugeständnissen zugunsten der Kommunikation von Menschen, Ideen und Informationen auszuweichen.

Eine Beschleunigung der Beratungen wird denn auch eher von außerhalb der Genfer Konferenzräume erwartet. Der Wendepunkt wird von dem Moskauer Gipfeltreffen Nixons mit Breschnew markiert. Zu dem unverkennbaren Drängen der Sowjetführung auf einen schnellen und protokollarisch aufwendigen Konferenzschluß ist seither ein gleichgerichteter Druck der Vereinigten Staaten auf ihre Verbündeten getreten. Mangels Fortschritten bei der Rüstungsbegrenzung wird der „Sicherheitskonferenz“ offenbar die Funktion zuerkannt, eine Signalwir-kiung zugunsten der Entspannungspolitik auszuüben.

Das ließ sich nicht nur an dem Moskauer Communique ablesen, das der Konferenz „historische Bedeutung“ und ihren Ergebnissen im voraus „große internationale Bedeutung“ zusprach. Das bewies auch die anschließende Reiseaktivität Henry Kissingers in Europa, die von einem Werben des bislang desinteressier-ten amerikanischen Außenministers für einen beschleunigten Fortgang des Konferenzunternehmens begleitet war.

Gewiß wird die Haltung des Westens offiziell vom Verhandlungsver-lauf abhängig gemacht. Das war nach dem Treffen Bundeskanzler Schmidts mit Giscard d'Estaing zu hören. Aber schon geht der Brüsseler NATO-Rat auf Drängen der Amerikaner daran, wesentliche Konferenzziele und solche minderer Bedeutung zu unterscheiden. Das aber bringt die Gefahr mit sich, zugunsten eines zügigen Ablaufs manches für entbehrlich zu erklären, was zuvor als unerläßlich galt. In die gleiche Richtung weist die Kritik an den Genfer Unterhändlern, die vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen.

Wie es in Wirklichkeit um die Konferenz steht, haben die Schweizer Gastgeber gleichermaßen unbestechlich und realistisch klargemacht. Für sie wird es ebenso sicher keine Fortschritte in substantiellen Fragen geben, wie sich die westlichen Staaten scheuen werden, die Konferenz platzen zu lassen, weil sie nicht die Verantwortung für ein Scheitern auf sich nehmen wollen.

Angesichts dieser Lage und des gemeinsamen Druckes von Sowjets und Amerikanern fällt der deutschen Bundesregierung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft eine Schlüsselrolle zu. Offenbar ist sie willens, diese Rolle in dem Sinne auszufüllen, daß sie dem Drängen aus Moskau und Washington nachgibt. Nicht genug, daß Bundeskanzler Schmidt ein Ende der Konferenz noch in diesem Jahr für möglich erklärt, sieht er sich inzwischen von den sowjetischen Propagandamedien auf diese Aussage festgelegt. Den Rest besorgen hausgemachte Kommentare, die wiederum dazu raten, Breschnew entgegenzukommen, um dessen Position und damit die Entspannung nicht zu gefährden.

Es interessiert nur am Rande, daß — Zufall oder Regie — die erste zustimmende Äußerung Schmidts vom 17. Juni die Sprachregelung dpr Londoner Tagung der Sozialistischen Internationale vorwegnahm, auf den der österreichische Bundeskanzler Kreisky einer abschließenden Gipfelkonferenz in Helsinki das Wort geredet hatte. Entscheidend ist, ob Bonn weiterhin die Erfüllungshilfe leistet, die es übernommen hat, als der damalige Außenminister Willy Brandt ohne Wissen des Bundeskanzlers Kiesinger die finnische Einladung zu den Vorgesprächen in Helsinki annahm und — selber Bundeskanzler geworden — sich gegenüber dem sowjetischen KP-Chef für den Erfolg des Konferenzunternehmens verbürgte.

Das wäre um so unerträglicher, als auch Bonn keinerlei substantielle Zugeständnisse der Sowjetunion mehr erwartet. Denn was dort als mögliche Verhandlungsergebnisse der nächsten Zeit genannt wird — (Familienzusammenführung nach Westen und bessere Arbeitsbedingungen für Journalisten im Osten —, ist zu dürftig, um ein Gipfelspektakel in Helsinki zu rechtfertigen.

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