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Frieden als Monopol?

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Selig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden. Nur — wie stiftet man Frieden, noch dazu als Angehöriger eines neutralen Kleinstaates, der sich zwischen den waffenstarrenden und offenbar gar nicht so friedenslustigen Großmächten eigentlich ziemlich verlassen vorkommt?

Bei den „berufsmäßigen“ Friedensstiftern geht es ja nicht um den Frieden mit Gott, um den Frieden mit dem Nächsten, um die Aussöhnung im näheren Umkreis. Da geht es um Abrüstung, um die Einhaltung vierstellig numerierter Resolutionen des Sicherheitsrates zur Lage im Nahen Orient, um die Beseitigung letzter faschistischer Bastionen und die Befreiung noch nicht existierender Negerstaaten. Kurz, um Helsinki zur Dauereinrichtung zu machen. Um es am Kochen zu halten.

1973 tagte in Moskau der „Weltkongreß der Friedenskräfte“ in Moskau, um einen letzten Werbeeffekt zugunsten von Genf und Helsinki aufzubieten. Wie die Teilnehmer — auch aus dem Westen — versicherten, mit durchaus offener, pluralistischer Diskussion. Dann kam die Monstershow in Finnlands Hauptstadt und seither reiht sich ein Folgetreffen an das nächste, um den Empfehlungen der Schlußakte Nachdruck zu verleihen. Vor allem natürlich jenen, die eine weltweite Abrüstung fordern.

Eines dieser Treffen lief nun kürzlich in Wiens altem Rathaus ab. Das Universitätszentrum für Friedensforschung hatte die Organisation übernommen, die Professoren Leo Gabriel, Rudolf Weiler und Thomas Schönfeld begrüßten, referierten, moderierten die Pressekonferenzen. Und waren ehrlich bemüht, jeden Eindruck von Schlagseite, von Einseitigkeit zu vermeiden. Nur gelang es ihnen nicht ganz.

Den österreichischen Beobachter mußte naturgemäß vor allem interessieren, was zum „Korb III“ gesagt wurde, zu jenem .Teil der Erklärungen von Helsinki, der sich mit den Menschen selbst befaßt. Denn gerade dort, wo der Einzelne betroffen ist, entzündet sich das Interesse der Menschen, der Öffentlichkeit. Und daß die Öffentlichkeit, vor allem die österreichische, an der Verwirklichung der Beschlüsse von Helsinki im allgemeinen und dem Wiener Treffen im besonderen so wenig Anteil nahm, war ja der ausgesprochene.Kummer der Veranstalter.

Prof. Weiler hatte in seinem Referat über die wirtschaftlichen Folgen von Helsinki den Korb III besonders hervorgehoben. Auf die Frage, wie die Diskussion hiezu ablief, wurde abgewehrt, man müsse das Ganze sehen. Der Korb HI sei eben nur ein Teil unter dreien. Man könne nicht von heute auf morgen sensationelle Ergebnisse erwarten. Man müsse auch die divergierenden ideologischen Ausgangsbasen der Vertragspartner berücksichtigen. Und im übrigen — vor allem sei jetzt die Abrüstung notwendig.

Nun, an der Wichtigkeit der Abrüstung hat niemand gezweifelt. Nur ist der Beitrag beschränkt, den Österreich dazu leisten kann (Unser Bundesheer ist kaum mehr bedrohlich!). Zugegeben — auch die Bereitwilligkeit der Großmächte könnte und sollte durch die öffentliche Meinung beeinflußt werden. Das zu erreichen, war auch das Ziel der Begegnung. Wenn aber in einem Teil der Welt die öffentliche Meinung keine freie Entfaltungsmöglichkeiten besitzt, tut sie sich in der übrigen Welt schwer.

Da scheinen schon die kleinen Schritte des Korbes III eher in die Zukunft zu weisen, die Erleichterungen des Informations- und Menschenaustausches, die Familienzusammenführungen und was noch drin steht. Gerade sie wären doch am ehesten geeignet, die Weltöffentlichkeit im Sinn der Veranstalter zu gewinnen. Der Fall Sacharow dage-gegen weniger — aber ton ihm wurde nicht gesprochen. Dagegen von vielem andern. Vom internationalen Forum gegen das Wettrüsten etwa, das im März in York stattfinden soll, oder von der Pariser Konferenz zur Lösung des Nahost-Problems im Mai des nächsten Jahres. Man sprach von Portugal und forderte eindringlich, die in Helsinki formulierten Prinzipien der Nichteinmischung zu beachten, und über den Kampf der demokratschen Kräfte Spaniens für die Beseitigung des letzten faschistischen Regimes in Europa (ohne aber zu definieren, wie weit zur Mitte hin man die Qualifikation „demokratisch“ noch gelten lassen wolle). Immerhin kam auch die Sorge über die „neokolonialistische Einmischung“ in Angola zum Ausdruck — aber auch dort wurde schamhaft umschwiegen, woher diese Einmischung nun kommt.

Man ließ Sprecher der Befreiungsbewegungen von Namibia (Südwestafrika) und Zimbabwe (Rhodesien) zu Wort kommen. Was aber hätten die Initiatoren gesagt, wenn sich ein Sprecher einer estnischen oder lettischen Befreiungsbewegung zu Wort gemeldet hätte?

Wie gesagt, die Anteilnahme der Öffentlichkeit war minimal — und das ist schade. Arbeit für den Frieden ist lebensnotwendig. Sie ist zulange als Monopol einer Seite tabui-siert worden. Nur durch eine aktive Teilnahme ließen sich Schlagseiten wie hier vermeiden oder zum mindesten mildern und damit erst könnte das Ganze glaubhaft werden.

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