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Puritanismus stand Pate

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Überall wird an der Wirtschaft herumgedoktert: viel Bemühen - aber zweifelhafter Erfolg. In Zeiten der Unsicherheit werden Grundsatzfragen wieder aktuell. Im folgenden zwei wichtige Stellungnahmen.

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Überall wird an der Wirtschaft herumgedoktert: viel Bemühen - aber zweifelhafter Erfolg. In Zeiten der Unsicherheit werden Grundsatzfragen wieder aktuell. Im folgenden zwei wichtige Stellungnahmen.

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Ökonomie ist die Wissenschaft von der bestmöglichen Verwendung vielfältig einsetzbarer Mittel zur Erreichung gegebener Ziele. Das ist eine Standarddefinition der Wirtschaftswissenschaft. Wir sagen von jemandem, der seine Mittel klug einsetzt: Sie oder er wirtschaftet gut. Oder wir sprechen von einem effizienten Mitteleinsatz.

So gesehen ist Ökonomie also eine reine Technik und eine Selbstverständlichkeit. Sie lehrt nur, wie man gegebene Ziele bestmöglich erreicht. Und über die Wahl der Ziele - und das ist an-

scheinend das einzige ethische oder moralische Problem - sagt Ökonomie so gesehen gar nichts aus. Sie ist vollkommen wertneutral.

Streng logisch genommen ist das alles richtig. Aber in der Praxis, durch die Implikationen, die effizienter Mitteleinsatz mit sich trägt, ergeben sich doch gewisse moralische Konflikte.

Erstens impliziert der Versuch zum bestmöglichen Mitteleinsatz eine Tätigkeitsideologie. Diese ist durchaus jüdisch-christlich oder auch konfuzianisch, würde jedoch etwa von einem Buddhisten abgelehnt werden. Zweitens impliziert die Aufforderung zum bestmöglichen Mitteleinsatz eine individualistische und eine elitäre Ideologie.

Individualistisch deswegen, weil bestmöglicher Mitteleinsatz für gegebene Ziele typischerweise wohl aufgefaßt werden wird als Aufforderung zum bestmöglichen Mitteleinsatz durch jeden einzelnen Menschen für jeweils seine eigenen Ziele.

Elitäre Ideologie impliziert effizientes Verhalten insofern, als derjenige, der es nicht so gut versteht, seine Mittel einzusetzen, einen Vorwurf aus der größeren Tüchtigkeit anderer Mitmenschen ablesen könnte. Jeder Erfolg anderer ist schwer zu ertragen durch die Erfolglosen. Bestmögliche Mittelverwendung impliziert den Versuch, Bester zu sein.

Das ökonomische Prinzip verrät somit seine geistige Herkunft aus einer ganz bestimmten christlichen Tradition, der sie auch tatsächlich entstammt, dem englischen Puritanismus des 17. Jahrhunderts. Sie ist eng mit dem Ra

tionalitätspostulat, dem Rationalismus verwoben.

Aus dem Wesen des Menschen als vernunftbegabtem, als rationalem Geschöpf schloß der Puritanismus auf die ethische Pflicht zum wohlüberlegten, ökonomischen Handeln. Diese ist aber nicht selbstverständlich. Den meisten von uns bereitet es Kopfzerbrechen, sich die Dinge genau zu überlegen. Das ökonomische Prinzip unterstellt, daß die Qual der Wahl zu ignorieren sei. Und das ist wiederum eine starke ethische Aussage.

Bereits die rein technische Definition der Ökonomie impliziert weiters, daß Mittel nicht in beliebigem Ausmaß vorhanden, daß sie also knapp sind. Denn besitzen wir alle Mittel im Überfluß, so wird die Frage, wie wir das, was wir im Überfluß besitzen, bestmöglich einsetzen könnten, sinnlos.

Eine solche Wertvor Stellung steht im Widerspruch etwa zu der ritterlichen Tugend der Freigiebigkeit. Es mag im Widerspruch stehen zu einer sehr wörtlichen Auslegung des evangelischen Rates: „Betrachtet die Vögel des Himmels: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen…“ (Mt. 6,26)

Ich glaube, daß es kaum schwerfallen wird, Zustimmung zu der Behauptung zu erhalten, daß der Wohlstand eines Menschen doch nur in seinen Konsummöglichkeiten, einschließlich seiner Freizeit, bestehen könne. In Wahrheit enthält jedoch Adam Smith’s Postulat, daß alleiniges Ziel aller Produktion nur der Konsum zu sein habe, sehr erheblichen gesellschaftlichen Sprengstoff.

Er geht von der puritanischen Vorstellung aus, daß Arbeit Leid bereite und von den Arbeitenden nur auf sich genommen werde als Mittel zum Zweck, um sich eben Konsummöglichkeiten zu erarbeiten.

Adam Smith’s Arbeitsvorstellung läßt sich in das gängige Wort komprimieren, daß der Mensch nicht lebe, um zu arbeiten, sondern arbeite, um zu leben. Aber obwohl wir in einer freizeitverehrenden Zeit leben, ist dies keineswegs die heute allein vorherrschende Wertvorstellung. Von vielen wird Arbeit heute nicht als reines Mittel zum Zweck, sondern vielmehr als Selbsterfüllung und Selbstbestätigung gesehen.

Der Autor ist Professor für Nationalökonomie an der Universität Wien. Beide Beiträge auf dieser Seite sind Auszüge aus Vorträgen bei einem Symposium zum Thema Wirtschaftsethik in Baden (18.-20. März 1987).

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