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Rückzug ins Private?

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Eine neue Gabriele Wohmann stellt sich in ihrem Roman „Schönes Gehege“ vor. Sie, die bisher die Fesseln von Familienbindungen verschiedenster Art — zwischen Eheleuten, Eltern und Kindern, den lieben Verwandten — so unnachsichtig analysiert hat, geht nun einen anderen Weg, den sie an der Entwicklung des Schriftstellers Robert Plath demonstriert.

Der Leser begegnet ihm, der Hauptfigur des Buches, zunächst bei den Dreharbeiten eines Films über Plaths Vergangenheit. Das Fernsehteam möchte ihn auf das zugkräftige Image des Zynikers und Pessimisten festlegen, das ihn bekannt und beliebt gemacht hat. Dagegen wehrt Plath sich, der diese Phase überwunden hat. Als wirksames Gegengewicht seiner Verzweiflung, seiner Angstkomplexe, hat er etwas ebenso Einfaches wie Schwieriges entdeckt: nämlich die ganz unmittelbare Zuwendung zum Nächsten; in seinem Fall zu seiner Frau Johanna, seinen alten Eltern und wenigen Gleichgesinnten.

Plath lebt mit Johanna in ihrem „schönen Gehege“, das beide abschirmt und ihnen Geborgenheit schenkt. Freilich nur durch ständige gegenseitige Bemühung umeinander. Diese beiden Menschen führen keinen Machtkampf; sie bemühen sich täglich um Rücksichtnahme, Anpassung und Gemeinsamkeit. Die kleinen Dinge, die so oft gerade „Nächste“ entzweien, werden ihnen zur Aufgabe und Herausforderung, einander immer sicherer und tiefer zu finden.

„Wenn zwei Leute, die verheiratet sind, mit den Jahren lernen, aus dem, was sie als verliebte Planlosigkeit zusammenbrachte, etwas so Behutsames, VerwandtschaftUches zu machen: eine große Sache, gnädiges Glück ...“, heißt es einmal.

Es ist wirklich eine große Sache. Manchmal aber macht Frau Wohmann es sich doch ein bißchen zu einfach mit diesem neuen Weg. Sie ist von einem Extrem in das andere gefallen. Zum Beispiel Plaths Kult mit dem „Schönen“, das er, ganz zu Recht, in den banalsten Dingen entdeckt, sein ewiges „Es geht mir gut“, wirken nicht gerade überzeugend, ebenso wenig wie die ständigen genauen Wiederholungen beiläufiger Alltagsgeschehnisse. Mit Wiederholungen, um ihr Anliegen nur ja deutlich dem Leser einzuprägen, ging die Autorin schon in ihren früheren Werken etwas zu großzügig um; da wie hier manchmal auf Kosten der Qualität zugunsten der Quantität.

Eine andere Frage stellte sich mir im Lauf der Lektüre. Muß der hier geschilderte Rückzug Plaths in die Privat- und Intimsphäre sein Engagement für „öffentliche Ansinnen“ zwangsläufig schmälern? Plath selbst bestreitet das, aber seine Haltung widerspricht seinen Worten, und das scheint mir ein Abweg.

Die hier geäußerten Einwände sprechen nicht gegen den Versuch der Autorin, für Güte, Verstehen und Toleranz als wünschenswerte Grundlage mitmenschlicher Beziehungen zu plädieren und dabei die Wichtigkeit des Umgangs im Alltag in den Mittelpunkt zu rücken. Genau das ist der springende Punkt. Nur die Mittel Frau Wohmanns, ihn dem Leser plausibel zu machen, verfehlen manchmal die Wirkung. Ich gestehe, mir kam sogar hier und da der Verdacht, Gabriele Wohmann spiele mit ihrem neuen Weg, an den sie selbst noch nicht recht glauben kann. Man darf gespannt sein auf ihre weitere Entwicklung, die darüber Auskunft geben wird.

SCHÖNES GEHEGE. Roman von Gabriele Wohmann. Luchterhand Verlag, Darmstadt und Neuwied 1975. 325 Seiten.

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