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Verfehlte Regulierungswut

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Die Diskussion rund um die Neuregelung der Ladenschlußzeiten war dafür typisch: Krampfhaft wurde nach einer gesetzlichen Zauberformel gesucht -anstatt sich wieder auf die Grundformel eines modernen Rechtsstaates zu besinnen.

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Die Diskussion rund um die Neuregelung der Ladenschlußzeiten war dafür typisch: Krampfhaft wurde nach einer gesetzlichen Zauberformel gesucht -anstatt sich wieder auf die Grundformel eines modernen Rechtsstaates zu besinnen.

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Unsere Politik ist reich an Merkwürdigkeiten, die oft nicht einmal recht wahrgenommen werden. Eine solche spielte sich am Rande der Diskussion um die neue Regelung der Ladenschlußzeiten ab, als Gewerkschaftsfunktionäre ein Ministerbüro besetzten, um ihren Standpunkt drastisch zu bekunden.

Um es gleich klarzustellen: Eine solche Demonstration ist legitim und niemand wird es Handelsangestellten verübeln, wenn sie um erträgliche Arbeitszeiten kämpfen. Das Merkwürdige ist freilich, daß sie für ihren sozialen Schutz nicht den Arbeitsminister bedrängten, sondern den vollkommen unzuständigen Wirtschaftsminister. Der ist ja bekanntlich dazu da, daß der Handel floriere, während man den Hüter des Arbeitnehmerschutzes im selben Regierungsgebäude einige Zimmerfluchten weiter südlich vorfindet.

Sondern wir gleich zwei Gründe für diese „Fehlbesetzung" aus. Weder wollen wir annehmen, daß sich die wackeren Demonstranten einfach im Lokal irrten, noch können wir ihnen gar unterstellen, daß sie ihren Parteifreund schonen und lieber einem andersgesinnten zu Leibe rücken wollten.

Der falsche Ansatz

Der Wahrheit dürften wir hingegen schon wesentlich näher kommen, wenn wir vermuten, daß die Gewerkschafter vom zuständigen Gesetzeshüter realistischerweise gar keine wirksame Hilfe erwarten konnten (oder wollten). Jedes Kind weiß, daß bei uns die Arbeitszeitvorschriften nicht gerade übertrieben streng gehandhabt werden. Die dem Sozialminister unterstellten Arbeitsinspekto-rate machen zwar da und dort Anzeigen, aberdie Bereitschaft der Strafbehörden, wirksame Bußen aufzubrummen, ist gering.

Dazu kommt, daß es auch Betriebsräte gelegentlich nicht sehr gerne sehen, wenn amtlicherseits in betrieblichen Arrangements über Dulden und Abgelten von Mehrzeiten eingegriffen wird.

Es ist zugegebenermaßen nicht einfach, moderne, taugliche und vor allem wirksame Arbeitszeitgesetze zu schaffen sowie anzuwenden. Österreich hat hier eindeutig ein arges Regelungsdefizit und die Arbeitswirklichkeit entfernt sich - siehe etwa Gleitzeitabkommen - immer mehr von dem, was in den geltenden Paragraphen steht.

Da ist es natürlich schon verständlich, wenn man die einfache Lösung sucht. Zusperren ist simpel und wirksam. Das Verbot, einen Betrieb überhaupt offenzuhalten, ist leicht zu kontrollieren - nicht zuletzt durch die Argusaugen der Konkurrenz. So bekämpft man Ausbeutung der Arbeitskraft, indem man gewerbliches Tun überhaupt verbietet.

Dieser Weg ist falsch. Sozialpolitische Trägheit und Mutlosigkeit dürfen nicht zu Lasten des Gewerbes, auch nicht des Konsumenten, schon gar nicht des für unsere Wirtschaft so wichtigen Touristen gehen. Was ist das für ein Staat, der einem Selbständigen und seiner Familie sein Geschäft verbietet, weil es an vernünftigen und vor allem durchsetzbaren Arbeitszeitregelungen für Angestellte gebricht?

Flucht in „Ersatzhandlungen"

Wir sehen hier ein Übel, das uns in vielfacher Weise entgegentritt. Unsere Politiker sind immer auf der Suche nach gesetzlichen Zauberformeln, die ihnen die Mühe abnehmen, Recht und Gerechtigkeit durchzusetzen. Die Autofahrer sind gefährlich zu schnell? Dann senken wir eben nochmals jene erlaubte Höchstgeschwindigkeit, an die sich ohnedies niemand hält. Es ist schwierig, einreisenden Polen bei Arbeit und Handel auf die Finger zu schauen? Da verhängen wir eben eine

Visumpflicht, auch wenn wir uns gegen das versündigen, was wir sonst über Freizügigkeit und Menschenrechte predigen.

Man sollte sich wieder auf die Grundformel eines modernen Rechtsstaates besinnen. Gesetze sollen dort - und nur dort - erlassen werden, wo ein tatsächliches Regelungsbedürfnis besteht. Aber dann sollen sie energisch angewandt werden. Wenn wir hingegen alles regulieren wollen, es aber nicht wahrhaftig tun, wird der Staat uns allen zur Last und womöglich gar zum Spott.

Der Autor ist Volksanwalt.

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