6846155-1976_22_01.jpg
Digital In Arbeit

Versandete Initiativen

Werbung
Werbung
Werbung

Die Abspaltung des Bautenmini-steriuirns vom Handeisministerium, d!ie dde ÖVP-Alleinregierung 1966 durchführte, wurde damals von den Sozialisten vehement kritisiert. Als sie dann selbst die Regierung übernahmen, behielten sie nicht nur das Baiutenministerium bei, sie kreierten zusätzlich auch noch zwei weitere Ministerien — für Wissenschaft und für Gesundheit —, deren Agenden sich aus ihrem ursprünglichen Verband keineswegs so organisch abtrennen ließen und für deren Installierung ebenfalls keinerlei zwingende Gründe bestanden.

Ob ein neues Ministerium erfolgreich ist oder nicht, ist aber nicht nur ein Sachproblem, sondern hängt in hohem Maße auch von der Persönlichkeit ab, die ihm vorsteht. Der personalpolitisch ansonsten nicht imimer glückliche Bundeskanzler Klaus hatte mit dem oberösterreichischen Kammeramtsdirektor Dr. Vinzenz Kotzina als Bautenminister einen guten Griff getan. Mit Kotzina kam ein bewährter Flachmann zum Zug, der nicht nur ein Ministerium übernahm, sondern auch ein Kon-fcept und administrative Erfahrung mitbrachte.

Wenn trotzdem die Arbeit Dr. Kotzings vom Publikum wenig beachtet und gewürdigt wurde, so lag dies dairan, daß dieser Minister zwar sehr Viel vom Handwerk, aber wenig vom Klappern verstand. Darüber hinaus fwiaren seine Aufgaben wenig spektakulärer und häufig ausgesprochen unpopulärer Natur, galt es doch — noch dazu vielfach unter ungünstigen Voraussetzungen — jahrzehntelange Versäumnisse der vorangegangenen Koalitionsregierungen aufzuholen. Außerdem bestanden seine Aktionen in vielen Falten aus langfristigen Initiativen, welche erst in den folgenden Legislaturperioden zum Tragen kamen, sofern sie nicht albgewürgt wurden.

Zu den Leistungen, welche hauptsächlich Kotzina zuzusehreiben sind, gehört das Mietrechtsänderungsge-setz von 1968, gegen welches zwar die Sozialisten damals lautstark opponierten, das sie aber später — von einigen nicht sehr glücklichen Alibi-Korrekturen abgesehen — dennoch beibehielten.

Weitere Schwerpunkte waren die Reform der Wohnbauiförderung und das Wöhnungsverbesserungsgesetz, dessen Wichtigkeit von Jahr zu Jahr deutlicher zum Ausdruck kommt. Hier wurde zum ersten Mal seit fünfzig Jahren in geradezu revolutionärer Form mit der bis dahin einzig gültigen Neubau-aillein-Doktrin gebrochen und die Notwendigkeit der Althauserhalltung und -imodernisie-rung erkannt Die seitherige Entwicklung hat Kotzina recht gegeben, und seine damals so vehement bekämpfte Idee ist nunmehr bereits — wenn auch teilweise widerwillig akzeptiertes — Allgemeingut geworden.

Unter Kotzina wurde des weiteren ein langfristiges Straßenbaukonzept bis zum Jahre 2000 aufgestellt, wodurch die bis dahin üblichen weitgehenden Ad-hoc-Entscheidungen von einer systematischen Vorgangs-weise abgelöst wurden. Dieses damals erarbeitete Konzept bildet — ausiammen mit den korrespondierenden Finanzierungskonzepten, speziell iflür den Autobahnbau — auch haute inoch die Arbeits- und Entsoheidungs-foasis.

Die vielleicht interessanteste Initiative Kotzinas war aber der Versuch einer globalen Investitionskoordination zwischen den einzelnen Ressorts einerseits und zwischen Bund und Gebietskörperschaften anderseits, um dadurch die Konzentration der baulichen Aktivitäten auf betknmte Monate mit allen unangenehmen Begleiterscheinungen

— wie Engpässe, Verzögerungen und außertourliche Kostensteigerungen

— zu vermeiden. Bedauerlicherweise wurden diese Bemühungen nach Abgang Kotzinias kaum noch fortgesetzt, was entscheidend zu der Überhit-zung und Baulkostenexplosion in den folgenden Jahren, samt der anschließenden Auftragsflaute beigetragen hat

Dem Fachmann Kotzina folgte der Parteipolitiker Moser als Bauten-minister, dessen Qualifikation für diese Position sich in erster Linie aus seiner Präsidentschaft bei der sozialistischen Mietervereinigung herleitet. Die dort erworbenen Kenntnisse scheinen aber nicht einmal für die SP-Jrtegierung tragbar gewesen zu sein, da nicht nur die Federführung, sondern auch die sachliche Bearbeitung des Mietenkomplexes seither zur Gänze an das Justizministerium übergegangen ist.

Vom Klappern versteht freilich der neue Minister viel mehr als sein Vorgänger, und eine Zeitlang ersohien Moser fast genauso oft auf den Bildschirmen wie sein Ressortnachbar ^.Happy Pepi“ Staribaoher. Im übrigen hat er aber — sieht man von seiner Mitwirkung an den kontrover-sieHen Assanierungs- und Bodenbeschaffungsgesetzen und Ideen wie Autobalhnmaut und Autobahnpickerl ab — nur das Überkommene mehr ■oder weniger .gut verwaltet.

Sicherlich trifft Moser nicht die alleinige Schuld, wenn vielversprechende Initiativen seines Vorgängers nicht zum Tragen kamen, wenn beispielsweise die Neuregelung der Wahnbauförderung durch Inflation und Baufcostenexplosion weitgehend ad absurdum geführt wurde. Ähnlich sieht es- mit der an sich guten Idee Kotzinas aus, den Autoba'hnbau und sonstige Großvorhaben mit Hilfe eigener Sondergesellsdhaften zu finanzieren. Auch hier kann es seinem Nachfolger nicht angelastet werden, daß der nunmehrige Finanziminister angesichts seiner permanenten Budgetmisere in den Sondergesellschaften in erster Linie eine willkommene Möglichkeit sieht, einen Teil der Etatdefizite dorthin zu verlagern und dadurch das ganze Ausmaß des Wachstums der Staatsschulden zu verschl eiern.

Zum Versanden der Initiativen von einst kommt aber auch noch eine gewisse administrative Lethargie gerade an den neuraligischen Punkten

— beispielsweise bei der schon erwähnten Investitionskoordination — hinzu. Der anf angliche; Elan ist längst verpufft und hat der Routine Platz gemacht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung