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Vorarlberg: Denkanstoß für Wien

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Aus Mallorca schleuderte der SPÖ-Vorsitzende scharfe Telefonworte nach Österreich, der AZ-Chef- redakteur griff, wie er selbst in einen! Postskript entschuldigend bekannte, „trotz der Ankündigung, einige Tage zu pausieren“, ob des Ernsts der Lage zur Polemikfeder, und einer seiner Redaktionskollegen schwang seinen Gluthammer über den Häuptern der Missetäter.

Die Missetäter aber waren die Mannen um den Alemannen Herbert Kessler, die den Sozialisten in Vorarlberg nur einen statt der verlangten zwei Sitze in der Landesregierung angeboten hatten: ein „Hochmut“, den nach dunklen Andeutungen des republikanischen Kaisers von Österreich gleich alle Landeshauptleute der Volkspartei bei künftigen Verhandlungen zu spüren kriegen sollen.

Wahr ist nun allerdings, daß bei einem Mandatsverhältnis von 20:11:5 im Vorarlberger Landtag ein Regierungsverhältnis von 5:1:1 nicht sehr ausgewogen gewesen wäre. Wahr ist aber auch, daß die Sozialistische Partei in Wien bei einem Mandatsverhältnis von 62:35:3 die Alleinregierung stellt und nur insofern nicht des Hochmuts beim Regierungsangebot geziehen werden kann, als sie der ÖVP nach der Landtagswahl 1978 überhaupt keine Regierungssitze angeboten hat - obwohl die Volkspartei damals fäst fünf Prozent, die SPÖ Vorarlbergs nun aber nur 1,4 Prozent dazugewonnen hatte.

Als Wiens ÖVP-Obmann, Erhard Busek, diesen Umstand erwähnte, klärte das Zentralorgan der Regierungspartei den spöttisch als „Vizebürgermeister ohne Portefeuille“ apostophierten Aufmucker darüber auf, daß zwischen Wien und Vorarlberg ein „fundamentaler Unterschied“ bestehe, nämlich der: „In Wien herrschen von vornherein klare Verhältnisse. Es gibt keine Scheinkoalition - es gibt keine Alibiangebote.“

Heißt dies, daß die Vorarlberger ÖVP der SPÖ besser überhaupt kein Angebot hätte machen sollen? Oder daß in Wien andere Gesetze als in Vorarlberg zu gelten hätten?

Tatsache ist, daß in beiden Bundesländern, in Vorarlberg also genau so wie in Wien, das Vorgehen der jeweiligen Mehrheitspartei von der Landesverfassung gedeckt ist. In den sieben übrigen Landesverfassungen dagegen ist die anteilmäßige Beteiligung aller Landtagsparteien ab einer bestimmten Stärke an der Landesregierung klar geregelt.

Wie man aus diesen Ländern immer wieder zu hören bekommt, erweist sich dieses System als recht wirksam. Es kommt sogar in gewissen Abständen immer wieder zu Vorschlägen, diesen verfassungsrechtlichen Regierungsproporz auch auf der Bundesebene einzuführen.

Nur das größte und das kleinste Bundesland tanzen da aus der Reihe. Und darüber sollte man, hier wie dort, einmal ehrlich nachdenken: ob das sinnvoll und wünschenswert ist. Es kann nich,t darum gehen, mit vordergründiger Argumentation und Agitation einmal die SPÖ und einmal die ÖVP als ungeliebten Juniorpartner in eine Landesregierung hineinzuboxen.

Aber wenn eine Regierung aller namhaften Landtagsparteien in sieben von neun Ländern gut funktioniert, ist die Frage nicht abwegig, ob eine solche nicht auch in Wien und in Vorarlberg funktionieren könnte: nicht als Gnadengeschenk oder Ergebnis eines politischen Tauschgeschäftes, sondern als Verfassungsauftrag zur Zusammenarbeit.

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