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Wahlfolgen

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Die Wiener Gemeinderats-beziehungsweise Landtagswahlen haben wieder einmal demonstriert, daß die Wähler für Überraschungen gut sind und daß die Meinungsforscher nicht imstande sind, auch nur einigermaßen exakte Prognosen zu liefern.

Wenn man im Hinblick auf die Situation im Bund allgemein mit Verlusten für die SPÖ gerechnet hat, so hat man die Wirkung, die von Helmut Zilk ausging und die von den Medien vervielfacht wurde, bei weitem unterschätzt.

Wie ich schon in meiner Glosse „Wien“ vom 21. August (FURCHE 34/1987) ausgeführt habe, bestehen in Wien auch von der Sache her keine Voraussetzungen für dramatische Veränderungen zugunsten der ÖVP, wie sie in deutschen Großstädten, nicht zuletzt in Berlin, zu Lasten der SPD stattgefunden haben. Daß es aber umgekehrt zu einem so dramatischen Absinken der Wiener ÖVP unter der Führung Erhard Buseks kommen würde, war nicht vorauszusehen, da sich Busek mit Initiativen und Einfallsreichtum um eine Belebung der politischen und kulturellen Szene bemüht hat.

Busek vertrat dabei aber eine Linie, die den überwiegend mittelständischen und kleinbürgerlichen Wiener Volksparteilern zu ,arün“ und zu wenig schwarz“ war. Die eigenen Anhänger erkannten sich in Busek nicht wieder, sondern empfanden ihn vielfach als Fremdkörper. So kann es eben einem Intellektuellen, der sich mit einigen guten Leuten umgibt, im übrigen aber die Tuchfühlung mit der eigenen Basis verliert, ergehen. Es wäre schade für Wien und Österreich, wenn diese große Begabung dem politischen Leben, das ohnehin so arm an Talenten ist, verlorenginge.

Der Siegeszug der Grünen scheint vorerst gestoppt, der der Freiheitlichen keineswegs; wenn man sich vorstellt, daß ohne den Umfaller eines Freiheitlichen im Burgenland die Chancen noch besser gewesen wären, kann man die Chancen dieser Partei ermessen, deren Erfolg nicht zuletzt auf die teilweise unbefriedigende Bundespolitik zurückzuführen ist.

Schließlich und endlich sollte man auch die größte Partei der NichtWähler und Weißwähler nicht übersehen und sich darüber im klaren sein, daß dieses Phänomen keine Einpendelung auf den europäischen Normalstandard, sondern im österreichischen Kontext ein Potential stummen Protestes und Desinteresses darstellt, das morgen schon manifeste Formen annehmen und aus der bloßen Latenz und Absenz erwachen kann.

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