7168705-1982_37_13.jpg
Digital In Arbeit

Wissenschaft als Problemloser

Werbung
Werbung
Werbung

Beim diesjährigen Europäischen Forum in Alpbach wurde auch über das Konzept der österreichischen Forschungspolitik in den achtziger Jahren beraten. Hertha Firnberg, Ressortchefin für Wissenschaft und Forschung, hob das demokratische Zustandekommen forschungspolitischer Entscheidungen hierzulande hervor, was die Gefahr einer ..Exportokratie” vermindere. Die FURCHE veröffentlicht in gekürzter Form Auszüge aus diesem bemerkenswerten Grundsatzreferat.

Die gesetzlich geschützte Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre (wesentlich älter als das allgemeine Wahlrecht beispielsweise) — und zwar ohne andere Beschränkung als die gesetzlichen Bestimmungen — ist unabdingbare Voraussetzung einer Demokratie. Gerade diese Freiheit auferlegt den Forschern eine besondere Verpflichtung, eine soziale Verantwortlichkeit bei der Auswahl von Arbeitszielen und Forschungsmethoden ebenso wie bei der Abwägung möglicher Folgen der praktischen Anwendung der erzielten Forschungsergebnisse. Daraus erwächst die Notwendigkeit für ein kooperatives Zusammenwirken der Wissenschafter mit den für die Forschungspolitik Verantwortlichen und den gesellschaftlichen Kräften, die die Interessen des Volkes repräsentieren.

Es war in den vergangenen zwölf Jahren stets eine allgemein begrüßte Maxime der österreichischen Forschungspolitik, daß Wissenschafter ebenso wie Wirtschafts- und Sozialexperten am Prozeß der Meinungsbildung über Forschungsprioritäten ebenso wie über entsprechende gesetzliche Regelungen beteiligt waren. So wurde bereits anläßlich der ersten forschungspolitischen Globalplanung zur Erstellung der Forschungskonzeption 1972 die Einsetzung eines umfassend zusammengesetzten Projektteams für unabdingbar erachtet, wie in der Folge auch anläßlich der Vorbereitung der zahlreichen sektoralen Konzeptionen oder des For-schungs-Organisationsgesetzes.

Die Einsicht, daß beim Abwägen der Kriterien für eine forschungspolitische Entscheidung die Berücksichtigung vieler Aspekte erforderlich ist, die Harmonisierung partikulärer Interessen anstelle autoritärer Verfügung, haben dazu geführt, daß interdisziplinär und interessendifferenziert zusammengesetzte Gruppen, wie Koordinationskomitees, Expertengruppen und Projektteams das bevorzugte Instrumentarium bilden. Die sachbezogene, kreative Diskussion dieser Teams hat nicht nur dazu beigetragen, Problemfelder ex ante zu identifizieren und bedarfsgerechte Strategien zu entwickeln, sondern auch infolge ihres zutiefst demokratischen Charakters spätere Auseinandersetzungen vermeiden geholfen und damit zu einer Optimierung des Forschungsklimas beigetragen. Das einstimmig nach ebenso umfassender demokratischer Vorbereitung beschlossene For-schungsorganisationsgesetz hat den Grundsatz demokratischer Mitbestimmung in der Forschungspolitik durch die Schaffung des Osterreichischen Rates und der österreichischen Konferenz für Wissenschaft und Forschung gesetzlich fixiert...

Was die Risiken der Forschungspolitik anlangt, entfallen für den Wissenschaftsminister eines kleinen Landes wie Österreich einige kolossale Sorgen: Die Last der Verantwortung für die militärische Nutzung der Forschungsergebnisse in Form atomarer, biologischer oder chemischer Rüstung, mit der Kalkulation der Wirkungsweise in der Grö-

ßenordnung von „Megatoten”; die Entscheidung über die Förderung der Entwicklung von so immens kostspieligen und folgereichen Technologien wie etwa das nukleare Brüterprogramm, sind entsprechende Beispiele...

Allerdings müssen sich die Forschungspolitik und die Forschungspolitiker in Österreich mit anders gearteten spezifischen Schwierigkeiten auseinandersetzen, deren soziopsychologische und wissenschaftspolitische Gewichtigkeit nicht unterschätzt werden sollte.

Zum ersten ist die traditionelle Präferenz des Musischen, der Kunst, insbesondere der reproduktiven, vor der Wissenschaft in der Bevölkerung wie in den Medien unvermindert wirksam. Das nationale Idol-Tabu der „Oper” oder der Salzburger Festspiele ist ungebrochen. Wissenschaft ist — wie seit je in Österreich - weit abgeschlagen.

Eine zweite forschungspolitische Malaise ist die — gleichfalls aus der österreichischen Tradition erwachsende - besondere Art der „Intellektuellenfeindlichkeit”, nämlich die Skepsis der Praktiker aller Gebiete dem Problemlösungspotential der Wissenschaft gegenüber, eine Haltung, die trotz aller Bemühung um ein verstärktes Forschungsbewußtsein keineswegs überwunden ist.

Eine der wichtigsten Aufgaben wird es sein, bewußt zu machen, daß unsere reichen kreativen Begabungen der Wissenschaft in die Praxis hineinwirken müssen, soll die notwendige Innovationsfähigkeit in Österreichs Wirtschaft und Gesellschaft erreicht werden.

Und schließlich ist nichts wichtiger für den forschungspolitischen Horizont als Flexibilität, aktuelle Adaption an Veränderungen. Verhärtete, zuweilen dogmatische Positionen, erschweren die Wahrheitsfindung, die Suche nach Kompromiß oder Konsens und stellen eine konstruktive Kooperation in Frage...

Lassen Sie mich schließen mit den Worten des französischen Wirtschafts- und Forschungsministers Chevenement:

„Die Haltung gegenüber den wissenschaftlichen Erkenntnissen ist ein gutes Barometer für die Beschaffenheit einer Gesellschaft und deren Fähigkeit, die Zukunft zu beherrschen. Anstatt daß die Forschung, wie so oft, die Folgen der Krise und der sogenannten harten Politik zu spüren bekommt, wäre es angebrachter, sie im Gegenteil als erstrangiges Mittel anzusehen, um aus dieser Krise herauszukommen.”

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung