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Digital In Arbeit

Die Fabrik ohne Menschen

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Noch immer erschüttern die Folgen der ersten industriellen Revolution die gesellschaftliche Ordnung. Die Aufhebung der durch das Werkzeug geschaffenen unmittelbaren Beziehung des Menschen zum Werkstück durch die zwischengeschaltete Maschine und die damit zusammenhängende Konstitution des neuzeitlichen Kapitalismus haben die trotz aller natürlichen Spannungen bestehenden sozialen Verflechtungen aufgerissen und zwischen Arbeiter und Betrieb, zwischen Kapital und Arbeit ein Vakuum entstehen lassen.

In Fortentwicklung der ersten industriellen Revolution zeigen sich nun seit Jahrzehnten die Umrisse einer zweiten: Neue Maschinenkombinationen und Kontrollapparaturen mit höchstem Arbeitseffekt ersetzen den Menschen da, wo er noch als Kontrollor und als Transporteur tätig gewesen ist, Die „Automation“ hebt eine Kette von menschlichen Arbeitsweisen auf. Der Mensch steht nunmehr am Anfang der Fertigung, er gibt die Richtung und die Fixierung des Quantums und er steht am Ende der Fertigung, um das fertige Erzeugnis in Empfang zu nehmen und dem Markt zuzuführen, wenn nicht auch dieser teilweise automatisiert ist (Selbstbedienungsladen).

Die Herausbildung der „Fabrik ohne Menschen“, der automatischen Fabrik, mit ihren Apparaturen, welche menschliche Handlungen in einer vorhersehbaren Abfolge kopieren können, bringt nun eine Unzahl von Problemen, deren Bewältigung geboten erscheint. Gerade jetzt, da man noch Herr der Entwicklung ist und diese vorweg einigermaßen absehen kann.

Man denke da an die Frage der technologischen Arbeitslosigkeit, an den nicht ungerechtfertigten Widerstand der Gewerkschaften, an die weitreichenden politischen und sozialen Folgen, die mit der Freisetzung der Arbeitskraft wie gleichzeitig mit der Massierung von Freizeit bei den Arbeitermassen entstehen können. Durch das Phänomen einer Freizeit in einem noch ungeahnten Ausmaß reicht die Frage hinüber bis in das Gebiet der Kultur.

Was der amerikanische Autor des vorliegenden Buches bietet, ist nun eine ganz ausgezeichnete und trotz der dargebotenen und wegen des Gegenstandes unvermeidbaren technischen Details leicht verständliche Gesamtdarstellung der Tatsachen sowohl wie der mit ihnen zusammenhängenden und weitreichenden (derzeit kaum abgrenzbaren) Probleme.

Das Buch unterscheidet sich übrigens wohltuend von der Mehrzahl der mit der Darstellung des gleichen Themas befaßten Arbeiten. Diebold erstirbt nicht in Anbetung der Maschine. Er sieht ihre Bedeutung immer noch auf die eines Werkzeuges reduziert, er spricht ihr daher die Fähigkeit ab, zu denken, es sei denn, man setzt die Durchführung vorweg aufgegebener, logisch ablaufender Prozesse dem Denken gleich.

Nie aber wird, nach Diebold, die Maschine menschliche Formen annehmen und zum Allzweckroboter werden oder den freien Willen des Menschen ersetzen. Daher, in Gewißheit der Begrenzung des Funktionsausbaues der Maschine (einschließlich der sogenannten Elektronenhirne), ist Diebold optimistisch und sieht gerade in der Automatisierung des Erzeugungsvorganges wie des Verwaltungsprozesses die Chance für die Menschheit, weitgehend von knechtlicher Arbeit entlastet- zu werden, um sich der Herstellung jener Produkte widmen zu können, die zu den Non-essential gehören, zu den Gütern eines gehobenen Bedarfes. Aus diesem Grund besteht bei Diebold auch keine Angst vor Arbeitslosigkeit, da die freigesetzte Arbeitskraft nunmehr an anderer Stelle zur Herstellung von Gütern zur Verfügung steht, die bisher, da die Mehrheit der Menschheit in der Bedrängniszone befindlich war, nicht produziert werden konnten. Einer wachen Menschheit ist es nun aufgegeben, ihre Chance zu nutzen, die in einer Entwicklung liegt, die nun einmal, ob man sie herbeiwünscht oder nicht, heraufkommt.

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