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Sohne

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Das Generationsproblem ist so alt wie die Menschen selbst. Immer wieder müssen es Väter erleben, daß ihre Söhne vornehmlich in den Jahren ihres Sturm und Dranges andere Ziele anvisieren als jene, die sich die Generation der Eltern auf Grund eines oft an Entbehrungen und Kämpfen reichen Lebens erarbeitet haben. Solche Sorgen hat bekanntlich der deutsche Außenminister Brandt, dessen Söhne sich partout als „Bürgerschreck“ gefallen. Aber auch der Vorsitzende der SPÖ, Dr. Bruno Kreisky, weiß gerade in diesen Tagen ein Lied davon zu singen. Seine mahnenden Worte, die er an den Verband Sozialistischer Studenten nach einigen Vorkommnissen richten mußte, bei denen die von ihm mit dankenswerter Deutlichkeit markierte Demarkationslinie zwischen demokratischem Sozialismus und kommunistischer Agitation zu verschwimmen drohte, waren gleichsam an seinen Sohn Peter gerichtet, der unter den Jungsozialisten eine Rolle spielt.

Was will diese hauptsächlich in akademischen Kreisen anzutreffende „neue Linke“? Von verschiedenen amerikanischen Hochschulen ausgehend, erreichte eine vornehmlich als Reaktion auf den Vietnam-Krieg auftretende emotionelle Welle schon vor einiger Zeit Europa, führte unter anderem in Deutschland zu heftigen Reaktionen und erreicht nun Österreich. Ein über jede sachliche Kritik an der Johnson-Administration weit hinausgehender Antiamerikanismus gehört zum Pflichtpensum dieser „neuen Linken“. Daneben wird eifrig in den Klassikern nachgeschlagen und eine Terminologie gepflegt, die der Vorliebe so mancher Jungen für „Oldtimer“, für Mode und Barttracht der Großväter entspricht. Bisherige linke Flügelmänner der SPÖ, wie Josef Hindels, werden weit rechts zurückgelassen, die Kommunisten Moskauer Prägung ausgeflankt und ein Standort bezogen, der irgendwo zwischen Mao und der Position des klassischen Anarchismus sich im Nebel verliert. Man könnte dies alles als eine Reaktion auf eine geistlose Konsumgesellschaft einschätzen. Aber ist dieses Engagement überhaupt echt? Hier unterscheiden sich nach Meinung des Verfassers, der altersmäßig zwischen diesen Generationen steht, Väter und Söhne. Die Väter, die in ihrer Jugend „radikal“ waren, scheuten nicht den Einsatz. Auf den Barrikaden in Wien, in den Schützengräben des Spanischen Bürgerkrieges, im Widerstand gegen Hitler. Manche Söhne aber halten sich mitunter schon für gut, wenn sie in Wien Johnson „Mörder“ nennen. Hut ab vor jeder Überzeugung, die auch heute mit dem Einsatz der ganzen Person gedeckt wird. Einem vom Wohlstand gepolsterten Scheinradikalismus ist es jedoch schwer Sympathien abzugewinnen. Wer für das „Weltproletariat“ nicht nur mit dem Mund etwas tun will, der findet als Entwicklungshelfer in Afrika und Asien ein weites Betätigungsfeld.

Ganz zu schweigen davon, daß jeder linke Radikalismus Wasser auf die Mühlen jener Kreise ist, die die Achse der österreichischen Politik weiter nach rechts verlagern möchten, als sie schon liegt. Die österreichische Demokratie braucht etwas anderes. Sie braucht auch in einer Zeit der Konfrontation Regierung—Opposition weniger denn je ein Ausbrechen in Unke und rechte Radikalismen, sondern die Bewahrung und das tägliche Neuerarbeiten einer gemeinsamen Plattform, die durch die Worte Republik und Unabhängigkeit, Demokratie und Neutralität markiert wird.

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