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Die Bedenken der Länder

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Der Bundes rat vom 3. Juli stimmfe mit Mehrheit dem Betriebsverfassungsgesetz in der vom Bundestag verabschiedeten Fassung zu und lehnte gegen alles Erwarten die Anrufung des Vermittlungsausschusses ab. Damit kann das Gesetz in seiner von beiden parlamentarischen Institutionen gebilligten Form nunmehr verkündet werden. Für das Gesetz stimmten die Länder Baden - Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland- Pfalz und Schleswig-Holstein, während die überwiegend sozialdemokratisch regierten Länder Bremen, Hamburg, Hessen und Niedersachsen ablehnten. Berlin enthielt sich der Stimme.

Die Arbeits- und Sozialminister der Länder hatten schon früher g e g en das Gesetz Stellung genommen und vor allem folgende Änderungen beantragt:

Der öffentliche Dienst soll in das Betriebsverfassungsgesetz einbezogen werden und keine gesonderte Regelung erhalten; der Anteil der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat soll nicht, wie es der Bundestag beschlossen hat, generell, sondern mindestens ein Drittel betragen, und darüber hinaus sollen nicht nur die Betriebsräte und die Werkangehörigen Arbeitnehmer, sondern auch die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften Vorschläge für die Wahl dieser Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten unterbreiten.

Mit dem Bertriebsverfassungsgesetz wurde ein Sozialgesetz von weittragender Bedeutung geschaffen, das zugunsten der Arbeiter und Angestellten an die äußersten Grenzen der Zugeständnisse gegangen ist, in einer auf das Eigentum und der Freiheit gegründeten Wirtschaftsordnung denkbar sind. Den radikalen Forderungen des Ge-

werkschaftsbundes konnte nicht entsprochen werden, wenn anders man nicht die gesamte Wirtschaft aus den Angeln heben und sozialisieren wollte. Das von den Gewerkschaften geforderte mehr oder weniger uneingeschränkte Mitbestimmungsrecht in personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten ist darum in dem Gesetz auf bestimmte Tatbestände beschränkt worden und setzt in der Regel dann ein, wenn für die Arbeitnehmer aus der Sache heraus nicht notwendige Nachteile entstehen.

Ber Bundesvorstand des Deutschen Ge-, werkschaftsbundes hat sich in einer Proklamation an alle im DGB organisierten Arbeiter, Angestellten und Beamten scharf gegen das von der Mehrheit des Bundestages verabschiedete Betriebsverfassungsgesetz gewandt. In seiner Proklamation weist der Bundesvorstand des DGB darauf hin, daß es im Parlament über dieses wichtige Gesetz keine sachliche Diskussion gegeben habe, sondern nur ein rücksichtsloses Ausnutzen der parlamentarischen Mehrheit durch die Koalitionsparteien gegen alle Abänderungswünsche des DGB.

Hingegen haben die Mehrheit - Parteien in einer am 24. Juli erfolgten Stellungnahme die Ansicht vertreten, daß sich die Gewerkschaftsführung mit ihrer Proklamation auf einen gefährlichen Weg begeben habe. Das offen zum Ausdruck gebrachte Bündnis mit der Sozialdemokratischen Partei nehmen dem DGB seine stärkste Stütze der parteipolitischen Neutralität. Auch der Bundesminister für Arbeit, Anton Storch, erklärte auf einer Kundgebung in Frankfurt: Sobald sich die deutschen Arbeiter darüber klar geworden seien, welche weitgehenden Rechte ihnen das Bundesgesetz einräumt, würde die Kritik seiner heutigen Gegner verstummen. Auf den Vorwurf, die Bundesregierung lehne sich in ihrer Politik zu sehr an den Westen an, antwortete Storch, Deutschland tue das nicht, um dadurch irgendwelche Vorteile zu erlangen, sondern nur, um die staatliche Stärke zu erreichen, die notwendig sei, umdieUdSSR zur Herausgabe der Sowjetzone zu veranlassen. Das Schicksal Österreichs beweise, daß Diktaturen nie freiwillig herausgäben, was sie einmal in Händen hielten. Die Herausgabe dieser Gebiete sei mit friedlichen Mitteln durchaus zu erreichen, da die Sowjetunion nicht an den Menschen dieses Raumes, sondern nur an seinem Wirtschaftspotential, das stark im Schwinden begriffen sei, Interesse habe.

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