Veränderte Rollen - Christoph Grabenwarter (in diesem Bild aus 2018 VfGH-Vizepräsident) wird ­voraussichtlich Brigitte Bierlein als ­VfGH-Präsident nachfolgen. (Im Bild re.: VfGH-Verfassungsrichter und Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter) - © Foto:  APA / Hans Punz

Saubere Reform für den VfGH

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Die bevorstehenden Bestellungen für den Verfassungsgerichtshof werfen demokratiepolitisch zentrale Fragen auf: Wie laufen diese Prozesse ab? Und: Sollte hier nicht auch die Opposition mitreden? Ein Gastkommentar.

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Die bevorstehenden Bestellungen für den Verfassungsgerichtshof werfen demokratiepolitisch zentrale Fragen auf: Wie laufen diese Prozesse ab? Und: Sollte hier nicht auch die Opposition mitreden? Ein Gastkommentar.

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Dieser Tage gibt die türkis-grüne Bundesregierung ihre Nominierung für den nächsten Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) bekannt. Da seine bisherige Präsidentin, Brigitte Bierlein, Bundeskanzlerin geworden war und zudem die für das Amt vorgesehene Altersgrenze von 70 Jahren erreicht hatte, wurde ihre Stelle über den Sommer 2019 zur Bewerbung ausgeschrieben. Das Kabinett Bierlein hatte sich jedoch zur Maxime gesetzt, keine weitreichenden politischen Postenbesetzungen durchzuführen – und die Entscheidung aufgeschoben. So wurde der VfGH Thema der Koalitionsverhandlungen und Vizekanzler Werner Kogler frohlockte, dass man sich auf eine grüne Kandidatin geeinigt habe, was manch einen unbedacht „Postenschacher!“ rufen ließ.

Jede Nationalratswahl und jede neue Bundesregierung betreffen auch den VfGH. Die Nominierung seiner Mitglieder ist an die Bundesregierung sowie an Mehrheiten in National- und Bundesrat gebunden: Für die Position des Präsidenten und des Vizepräsidenten hat die Regierung das Vorschlagsrecht, sie nominiert außerdem sechs Verfassungsrichter sowie drei Ersatzmitglieder. Die weiteren sechs Mitglieder und drei Ersatzmitglieder schlagen zum Teil der Nationalrat sowie der Bundesrat vor. Veränderte Mehrheitsverhältnisse wirken sich also auch auf die Zusammenstellung des VfGH aus. Dem Kabinett Kurz II kommt nicht nur die Nominierung eines neuen VfGH-Präsidenten, sondern Ende 2020 auch jene eines neuen Ersatzmitgliedes in der Nachfolge Lilian Hofmeisters zu. Da voraussichtlich VfGH-Vizepräsident Christoph Grabenwarter, der seit Bierleins Abgang den VfGH interimistisch geführt hatte, zum Präsidenten aufsteigt, scheint den Grünen die Nominierung des Vizepräsidenten und/oder eines neuen Ersatzmitgliedes versprochen.

Opposition außen vor

Bis zum Ende der Legislaturperiode 2024 werden jedoch keine weiteren Mitglieder das 70. Lebensjahr erreichen, was nun die Möglichkeit eröffnet, allgemeine demokratiepolitische Überlegungen zu Transparenz und Öffentlichkeit der Richterbestellung anzustellen. Schon im Nationalratswahlkampf meldeten sich kritische Stimmen zu Wort. Heide Schmidt etwa monierte für den Verein Respekt.net „das Fehlen einer breiteren politischen Aufstellung innerhalb der relevanten Institutionen, wie zum Beispiel im Verfassungsgerichtshof“. Es gehöre zur Demokratie, die Opposition einzubeziehen.

Jenem besorgten Aufruf vermag die Politikwissenschaft Daten gegenüberzustellen. Sie misst die institutionelle Unabhängigkeit von Verfassungsgerichten anhand folgender Kriterien: Inklusivität der Richterbestellung, Amtszeit, Möglichkeit der Ab- und/oder Wiederwahl sowie Schutz der Richter vor politischem Druck. Im OECD-Vergleich zählt der VfGH zu den unabhängigsten Gerichtshöfen. Die Analyse zeigt, dass das Ausmaß der richterlichen Unabhängigkeit mit der Länge der Amtszeit sowie mit dem Ausschluss der Möglichkeit von Ab- und Wiederwahl steigt. Zudem ist der Schutz vor politischem Druck größer, wenn das Gericht einen formalen Status als Verfassungsorgan hat, keinem Minis­terium zugeordnet ist und über ein eigenes Budget verfügt. Aus österreichischer Sicht ist somit die Inklusivität der Richterbestellung am ehesten problematisch, also die Frage: Wer wird wie Mitglied am VfGH?

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