Strategie-Spiele in grün

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Kalt-wa rm" beschreibt wohl am besten, was den Grünen derzeit widerfährt: Am Sonntag holten sie ihr erstes Bürgermeisteramt in einer Landeshauptstadt - Georg Willi setze sich solide gegen die Innsbrucker Amtsinhaberin durch. Nur zwei Wochen zuvor hatte die Partei bei der Salzburger Landtagswahl dagegen eine empfindliche Schlappe erlitten -Spitzenkandidatin Astrid Rössler trat zurück. Für die Grünen liegen Sieg und Niederlage seit rund zwei Jahren eng beisammen. Der prägende Trend ist aber letzterer. Schon bei den Landtagswahlen in Niederösterreich und Tirol fuhr die Partei ein Minus ein, in Kärnten setzte es eine heftige Niederlage. Und auf den Prestigeerfolg, mit Alexander Van der Bellen den ersten grünen Bundespräsidenten der Welt zu stellen, war bekanntlich die größte Krise der Parteigeschichte gefolgt: Auszug aus dem Nationalrat nach 31 Jahren.

Der Verlust des Parlamentsstatus hatte viel mit der Abspaltung der Liste Pilz und noch mehr mit parteiinternen Querelen zu tun. Die grüne Krise ist aber auch untrennbar mit der politischen Stimmungslage verbunden. Dass das große Meta-Thema Migration nachhaltig auch in Bereiche hineinstrahlt, mit denen es eigentlich nichts zu tun hat, spielt den Grünen selbstredend nicht in die Karten. Den Einsatz für Menschenrechte als grünes Alleinstellungsmerkmal zu kommunizieren, konnte da nichts retten. Das alte Kerngebiet Umweltschutz hat sich ohnehin längst auch das Gros der restlichen Parteienlandschaft einverleibt.

Kein Zugpferd in Sicht

Der Sieg Georg Willis scheint da eine erfolgversprechende Route vorzugeben: Bürgerlich-grüne Zentrumspolitik statt dezidiert linker Positionen. Weniger "Fundi", mehr "Realo", um bei den alten Zuschreibungen zu bleiben. Dafür spricht nicht zuletzt, dass das Wählerpotenzial deutlich links der SPÖ - hierzulande noch nie besonders üppig -seit den großen Flüchtlingsbewegungen 2015 nicht eben gewachsen ist. Allerdings: Der Erfolg in Innsbruck hängt zu großen Teilen an der Person Georg Willi. Der populäre Charismatiker konnte als eine Art kommunaler Van der Bellen auch tief im bürgerlichen Lager wildern. Für die Bundespartei ist ein vergleichbares Zugpferd aber weit und breit nirgends in Sicht.

Und: Bei einer Neuorientierung Richtung Zentrum würde man sich nicht nur wegen der direkten Konkurrenz der Liste Pilz in dicht gedrängten Raum begeben. Unter Parteichef Christian Kern spricht die SPÖ wieder verstärkt zentrumsnahe Linksliberale mit hoher formaler Bildung an - also jene urbane "Bobo"-Blase, für die die Grünen lange zentrale politische Anlaufstelle waren. Und auch die NEOS fischen in diesem Wählerpool. Vom glänzenden Tiroler Erfolg sollte sich also niemand blenden lassen: Die Positionierung der Grünen wird ein politstrategisches Dilemma bleiben - und weiter harte interne Konfliktlinien aufbrechen lassen. Will die Partei sich für den Wiedereinzug in den Nationalrat in Stellung bringen, wird sie allerdings klare Positionen brauchen. Und die Entscheidung darüber treffen müssen, bevor die Wähler vergessen, dass es grüne Politik einst auch auf Bundesebene gab.

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