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Wehner hält den Schlüssel

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Mancher Beobachter in Bonn fragt sich, wie weit Gerhard Schröder auf seinem neuen Posten in der Lage sein werde, trotz dieser Konstellation seinen alten Kurs weiterzusteuern. Schröder hat denn auch sofort gefordert, daß das Ministerium für den Verteidigungsrat unter Heinrich Krone aufgelöst werde. Krone hatte von diesem Posten aus zuweilen gegen Schröders Politik die Bremsen gezogen. Darüber hinaus hat Schröder verlangt, daß die NATO-Politik künftig zum Verteidigungsministe- rium ressortieren solle. Diese Zuständigkeit ist bisher klar beim Auswärtigen Amt gelegen, und Verteidigungsminister von Hassel hatte bei Übernahme seines Amtes diese Regelung ohne weiteres akzeptiert.

Was die Deutschlandpolitik anlangt, so wird Herbert Wehner mit seiner verzehrenden Leidenschaft sicherlich viel Bewegung aufbringen. Seit 1949 ist das Gesamtdeutsche Ministerium, das er nun leitet, nie recht zum Zuge gekommen. Die deutsche Frage wurde federführend im Auswärtigen Amt und im Bundeskanzleramt behandelt. Der Gesamtdeutsche Minister hatte daher auf wichtige Vorgänge nur begrenzten Einfluß. Gelegentlich wurde er nicht einmal rechtzeitig hinzugezogen. Erich Mende hat versucht, hierin einigen Wandel zu schaffen, hat dabei jedoch nicht sonderlich reüssiert. In einigen Fällen, in denen er das Prävenire zu spielen versuchte, hat die CDU sofort mit ihrer Kritik eingesetzt.

Nun wird man sehen, wie die zwei führenden Sozialdemokraten im Auswärtigen Amt und Gesamt deutschen Ministerium diese wichtigste Aufgabe aller deutschen Politik in Angriff nehmen werden. Alles spricht dafür, daß sie beide ihre Ideen zielstrebig und energisch im Kabinett Vorbringen und außerdem nicht verfehlen werden, diese ihre Politik eng mit Berlin zu koordinieren, wo die SPD auch weiterhin den Regierenden Bürgermeister stellt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß, wie es scheint, noch keineswegs alle Aspekte der deutschen Frage zwischen den neuen Koalitionspartnern zweifelsfrei abgeklärt sind.

Überhaupt wird es ganz allgemein ein sehenswertes Schauspiel abgeben, wie die zwei Parteien ihre Zusammenarbeit arrangieren werden. Siebzehn Jahre sind sie sich — oft verbissen — als Gegner gegenübergestanden. Nun müssen sie sich gegenseitig Beifall spenden. Wie schwer diese noch manchem fällt, zeigt sich schlaglichtartig unmittelbar nach der Wahl Kiesingers. Die Sozialdemokraten in den vordersten Bänken klatschten Beifall, aber die Abgeordneten der mittleren und hinteren Bänke, von denen früher oft bissige Zwischenrufe gegen die CDU/CSU gekommen waren, verhielten sich schweigend. Auch benötigte die SPD-Bundestagsfraktion am Ende noch eine zehnstündige Sitzung, ehe es sich die Mehrheit vom Herzen gerissen hatte, daß der so oft geschmähte Gegner von gestern nun der Freund von morgen sein soll.

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