European Spirit Contest

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Vom europäischen Geist ist in diesen Tagen viel die Rede. Aber worin manifestiert er sich, was bedeuten europäische Werte angesichts ganz konkreter Herausforderungen?

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Vom europäischen Geist ist in diesen Tagen viel die Rede. Aber worin manifestiert er sich, was bedeuten europäische Werte angesichts ganz konkreter Herausforderungen?

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Unter dem Titel "Europa. wertvoll" findet auf Schloss Seggau, dem einstigen Sitz der steirischen Bischöfe, der biennale Pfingstdialog "Geist &Gegenwart" von Land Steiermark und Diözese Graz-Seckau statt. Auch sonst ist in diesen Tagen und Wochen des Gedenkens viel von Europa und europäischen Werten, geboren aus dem Unheil der Geschichte, die Rede. Was aber sind diese Werte, worin manifestiert sich gegenwärtig der europäische Geist?

Der Geist, den die christliche Tradition den "heiligen" nennt, ist schwer zu fassen - er "weht, wo er will"(Joh 3,8). Das Credo der katholischen Liturgie bekennt ihn als "lebendig machend" ("Spiritum sanctum vivificantem"); die Dreifaltigkeitssäule ("Pestsäule") am Wiener Graben ist neben "Gott-Vater, dem Schöpfer" und "Gott-Sohn, dem Erlöser" dem "heiligmachenden Geist" ("Deo Spiritui Sanctificatori") geweiht. Analoges lässt sich vielleicht auch vom europäischen Geist sagen: es geht um ein tragendes Prinzip, einen Motor (Beweger), welcher die Geschichte vorantreibt, stetig präsent - und doch schwer zu fassen.

Die Versuchung liegt nahe, diesen "guten"(gar "heiligen") Geist gegen den "bösen" Zeitgeist auszuspielen. Aber das wäre allzu billig. Geht es doch, gerade auch aus christlicher ("pfingstlicher") Perspektive darum, das Wirken des Geistes im und durch den Zeitgeist herauszuspüren, alles zu prüfen und das Gute zu behalten (vgl. 1 Thess 5,21).

Jenseits von Sonntagsreden

Abstrakt, in Pfingstpredigten und säkularen Sonntagsreden, lässt sich relativ leicht darüber räsonnieren. Die Geister scheiden sich, wenn es konkret wird: Was heißt das für die zahllosen Herausforderungen, mit denen Europa sich konfrontiert sieht: von einem zunehmend autokratischen Russland oder Abweichlern in den eigenen Reihen wie (in ganz unterschiedlicher Weise) Großbritannien, Ungarn und Griechenland; über einen immer selbstbewusster auftretenden und stärker wahrnehmbaren Islam; über den anschwellenden Strom von Migranten, den Ansturm auf die sogenannte "Festung Europa"; bis hin zur vielfältig schillernden Agenda der LGBT-Lobby (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender /Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender), die eben Wien unter tatkräftiger öffentlicher und medialer Mitwirkung zu ihrem "Mekka" erkoren hat, wo "die Ampeln auf Rosalila stehen" (© das angeblich völlig neue News)?

Selbsternannte Brückenbauer

Nein, nochmals sei es gesagt: in keinem der genannten Fälle gibt es ein Schwarz-Weiß, liegen einfache Lösungen oder Antworten auf der Hand. Aber das gilt für alle Seiten. Auch die selbsternannten Gerechten, Wohlmeinenden und Menschenfreunde, die Brückenbauer und Toleranzprediger können das nicht für sich in Anspruch nehmen. Wer Orbán, Cameron oder auch Putin einfach zu Outcasts stempelt (wobei Ersterer es mit seinen Todesstrafe-Phantasien seinen Gegnern wieder einmal ziemlich leicht macht); wer nicht auch klar und unumwunden die Probleme und Divergenzen im Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen und Religionen benennt; wer nicht die Gefahr sieht, dass "illegale und unkontrollierte Zuwanderung in den unerklärten Bürgerkrieg führt" (Dirk Schümer in der Welt); wer nicht die ungeheure Anmaßung einer sozio- und biopolitischen Umerziehung bzw. Umwertung hinter all dem Glamour rund um ESC und Life Ball (inklusive freundlich blinkender Ampelpärchen - die gibt's ja sicher demnächst auch mit Alleinerziehenden, Übergewichtigen, Krebskranken und sonstigen Benachteiligten, oder?) erkennt - der erweist Europa, dem "europäischen Projekt" keinen guten Dienst.

Sich gewissermaßen reflexartig in all diesen Fragen auf die "andere" Seite zu schlagen, wird freilich auch zu wenig sein. Mit Bestemm ist nichts zu gewinnen, nur mit Klarheit und Wachheit, ohne welche die stets neu geforderte Unterscheidung der Geister nicht gelingen kann.

rudolf.mitloehner@furche.at

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