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Ratlos im w arendsdiungel

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„Seine Majestät, der Kunde!“ „In 2er Marktwirtschaft ist der Verbraucher König!“ „Der Verbraucher ist der vergessene Sozialpartner!“ Solche von Wirtschaftsfachleuten geprägten Aussprüche sind charakteristisch für die verschiedenen Auffassungen über Bedeutung und Stellung des Verbrauchers in der modernen Wirtschaft. Übt der Konsument tatsächlich eine entscheidende Funktion in der Wirtschaft aus, oder ist der einzelne macht- und wehrlos? Oder aber ist der Verbraucher immer noch ein im letzten „unbekanntes Wesen“? Sicher ist lediglich: Keine Organisation wäre so stark und mächtig wie die der Konsumenten, falls es eine solche gäbe.

Es ist daher von Interesse, sich einmal den Stand der Verbraucherbewegung in aller Welt zu vergegenwärtigen, um daraus gewisse Folgerungen für unser eigenes Land zu ziehen. Von besonderer Bedeutung ist die Tätigkeit der Verbraucherorganisationen in -den USA geworden. Schon 1936 wurde dort die Verbraucher-Union (Consu-wers Union) gegründet, deren monatliche Verbraucherberichte heute von annähernd vier Millionen Menschen studiert werden. In vielen Schulen lese* Lehrer und Schüler diese con-sumers reports regelmäßig. Auch die meisten öffentlichen und privaten Bibliotheken führen sie. Die Verbraucher-Union ist die größte Organisation dieser Art in der Welt, die dem Käufer sagt, was die Ware wert ist. Ihre primäre Aufgabe ist es, die Konsumenten mit objektiven Informationen zu versorgen.

Dem amerikanischen Vorbild entspricht die Konsumentenorganisation in Großbritannien. Ähnliches gilt für Skandinavien, aber auch in Frankreich und Belgien gelingt die Weckung des Konsumentenbewußtseins.

In Österreich ist die Verbraucherbewegung erst in den letzten Jahren aktiviert worden. Ursprünglich eine Domäne der Interessenvertretungen der Arbeitnehmerorganisationen, kam es vor etwa zwei Jahren zur Gründung des „Vereins für Konsumenteninformation“, in dem die Arbeiterkammer, der Gewerkschaftsfeund, die Bundeswirtschaftskammer und die Landwirtschaftskammer paritätisch ver treten sind. Jede der vier erwähnten Körperschaften ist im Vorstand mit je vier Mitgliedern vertreten. Der Verein ist redlich bemüht, durch sachliche und objektive Arbeit sowie zuverlässige Beratung das Vertrauen der Öffentlichkeit zu erwerben. Er entfaltet eine rege, von der Bevölkerung stark in Anspruch genommene Bera-tungstätigkeit und will seinen Aktionsbereich über das ganze Bundesgebiet ausdehnen. Sein Sprachrohr ist die Zweimonatszeitschrift „Konsument“. Bisher haben sich im Schöße dieser Organisation folgende Fachausschüsse gebildet: Wolle, Inlett und Bettfedern, Radio und Fernsehen, Öfen, Fleisch- und Wwrstwaren, Backwaren, Energiewirtschaft und Kosmetik. Weitere Fachausschüsse sind ferner vorgesehen für Arbeitsbekleidung, Damenstrümpfe, Konserven, Futtermittel, Bodenbeläge, Kühlschränke, elektrische Küchenmaschinen, Waschmaschinen und Staubsauger.

Eine der letzten Erhebungen der Organisation war der Frage der recht unterschiedlichen Detailpreise im Lebensmittelsektor gewidmet. Es konnte festgestellt werden, daß in den einzelnen Bezirken Wiens bei bestimmten Artikeln oft beträchtliche Preisdifferenzen bestehen. So konnten bei Speiseöl Preisunterschiede bis zu 25 Prozent, bei Eiern 28 Prozent, bei Erdbeer-Jam 33 Prozent, bei paketier-, tem Kakao 33 Prozent, bei Kümm^jj (2 dkg) 70 Prozent, bei Pflaumi (1-kg-Dose) 55 Prozent, bei 100'J Mohn 83 Prozent, bei Sardellenpasfe (eine Tube) 78 Prozent und bei PfeA fer und Zimt sogar 150 und 180 Pro-' zent festgestellt werden.-Der Handel verwies in diesem Zusammenhang darauf, daß derartige Preisdifferenzen unter Umständen durch Qualitätsunterschiede berechtigt wären. Für den Käufer lohnt es sich jedenfalls, Preisvergleiche anzustellen und dementsprechend die Einkäufe vorzunehmen, wie denn überhaupt eine stärkere Käuferdisziplin im Interesse der Konsumenten wünschenswert wäre.

Ein Strom von Markenartikeln, Handelsmarken und Ersatzprodukten verschiedenster Art ergießt sich auf den Markt. Der Verbraucher steht dieser Überfülle mehr oder weniger hilflos gegenüber. Insbesondere die Warenprüfung, unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherinteresses objektiv und unabhängig durchgeführt, erwies sich nach dem Beispiel der Vereinigten Staaten und der skandinavischen Länder als ein erfolgversprechender Weg. Die wirtschaftliche Bedeutung einer Warenprüfung durch eine neutrale Stelle hat Amerika treffend zum Ausdruck gebracht, wo man sagt: „Ebenso wie eine politische Demokratie informierte Bürger als Voraussetzung ihrer Funktionsfähigkeit haben muß, erfordert eine demokratische Wirtschaft informierte Verbraucher.“ Dies gilt ganz besonders für eine soziale Marktwirtschaft, und zwar letztlich nicht allein zum Vorteil des Käufers, sondern auch des seriösen Produzenten, dessen gute Ware, und des Händlers, dessen vernünftige Kalkulation belohnt werden.Sie schreiben in der Nr. 31/1962 unter der Überodtrift

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