7106085-1995_32_04.jpg
Digital In Arbeit

Das Tun verurteilen, aber den Menschen achten

Werbung
Werbung
Werbung

Die Kirche ist der Homosexuellen-Bewegung klarerweise ein Dorn im Auge, hält sie doch daran fest, „daß die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind”, wie im Weltkatechismus nachzulesen ist. In der Bibel wird dies an mehreren Stellen (Gen 19, lff, Lev 18,22 und 20,13,1 Kor 6,9, Böm 1,18ff und lTim 1,10) klargestellt.

Diese eindeutige Veurteilung homosexueller Handlungen steht in einem Spannungsverhältnis zur Haltung, die homosexuellen Personen gegenüber einzunehmen ist: „Ihnen ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgend einer Weise ungerecht zurückzusetzen,” sagt der Weltkatechismus.

Damit gibt die Kirche nicht dem Druck der Homosexuellen nach, sondern wiederholt, was die Glaubenskongregation schon 1975 undl 986 betont hatte: „Es ist nachdrücklich zu

bedauern, daß homosexuelle Personen Objekte übler Nachrede und gewalttätiger Aktion waren und weiterhin noch sind. Solche Verhaltensweisen verdienen, von der Hirten der Kirche verurteilt zu werden...”

Diese differenzierte Haltung, die Würde der Person zu achten, ohne ihr Fehlverhalten zu bagatellisieren, ist eine Herausforderung, die in der üblichen, oberflächlichen Schwarz-Weiß-Malerei schwer an den Mann zu bringen ist. Die homosexuelle Neigung an sich ist ebensowenig Gegenstand kirchlicher Verurteilung wie die Neigung zum Lügen oder zum Stehlen. Die Kirche warnt die Menschen aber ebenso vor homosexuellem Tun, wie sie vor dem Stehlen und dem Ehebruch warnt. Alles entscheidet sich daran, wie der Mensch mit seinen Neigungen umgeht. Darin unterscheidet sich die Neigung zur Homosexualität nicht von der Neigung

zur Trägheit, zum Neid, zur Gier...

Die Auseinandersetzungen um die Frage der Homosexualität ist unbedingt auch auf dem Hintergrund der vorherrschenden Einstellung zur Sexualität im allgemeinen zu sehen. Sie wird weitgehend auf die körperliche Dimension, auf den Sexualtrieb verkürzt.

Ist Homosexualität nicht auch eine Folge entfremdeter Vater-Sohn-Beziehungen?

Gerade was die Beziehung zwischen Mann und Frau anbelangt, meint man etwas Gutes zu tun, indem man schon der Jugend den Orgasmus als Weg erfüllter affektiver Beziehungen weist. So kommt es zu einer einseitigen Sicht auf zwischenmenschliche Beziehungen: Der andere wird allzu leicht unter dem Blickwinkel betrachtet, daß er Quelle von Lusterlebnissen sein könnte.

Unter diese schiefe Optik geraten leicht auch Freundschaften zwischen Personen desselben Geschlechts. Besonders anfällig für eine Fehlorientierung sind da Jugendliche, die ihren Weg noch nicht gefunden haben. Hier bedarf es einer klaren Sprache, die vor homosexuellem Tun warnt.

Zu fragen wäre aber auch: Ist die zweifellos zunehmende Homosexualität nicht auch eine Folge der Entfremdung, in der die Vater-Sohn- (die Mutter-Tochter-) Beziehungen heute sehr oft gelebt werden? Fehlt es da nicht oft an Zärtlichkeit, einer jeder Erotik entbehrenden Zärtlichkeit im Umgang zwischen Eltern und Kindern, die auch dem körperlichen Ausdruck des gegenseitigen Wohlwollens einen angemessenen Baum eröffnen?

Leiden nicht allzu viele Menschen heute unter einem enormen Mangel an Zärtlichkeit, an der körperlich erfahrbaren Mitteilung, daß sie von anderen liebevoll angenommen sind? Wirft das nicht auch die Frage auf: Be -dürfen die legitimen Freundschaften, die es zwischen Personen desselben Geschlechts gibt, nicht auch einer Sprache, die den Grad der gegenseitigen Vertrautheit ausdrückt? Warum sollte diese nicht auch behutsame körperliche Zeichen umfassen? Aber eben angemessene, solche, die man sorgsam davor bewahrt, dem Sexualtrieb Bahn zu brechen.

Leider sind wir in dieser Hinsicht heute recht hilflos. AVir brauchen daher eine Kultur der affektiven Beziehungen und ihres Ausdrucks: zwischen Mann und Frau, Eltern und Kindern - und gleichgeschlechtlichen Freunden. Alle diese Beziehungen können und sollen sich zeichenhaft, also körperlich ausdrücken - aber angemessen, wie gesagt. Vielleicht auch eine Alternative zur Homosexualität?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung