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Liberales Forum: Mehr als nur ein Denkanstoß
Hellmut Butterwecks Essay über Ressourcen, Umwelt, Arbeit und Kapital ist mehr als ein Denkanstoß. Sein Versuch, die Rahmenbedingungen des Lebens und des Wirtschaftens auf ihre Interdepen-denzen und ihre Potentiale hin sowohl gegeneinander abzugrenzen als auch synergetisch miteinander zu verknüpfen, ist eine intellektuelle Herausforderung. Gleichzeitig und darüber hinausgehend wird sich dieses Buch aber auch als Prüfstein für die Redlichkeit der Diskutanten erweisen, denn eine lebhafte und wohl auch kontroversielle Diskussion wird es auslösen.
Da Butterweck zudem unmittelbar in Gang setzbare Vorschläge unterbreitet und - horrible dictu - als Lösungsansatz Nullsummenspiele einfordert, ist der Widerstand der Sozialtechnokraten und all derer, die bei Reformen in erster Linie an die Möglichkeit denken, neue Einnahmen für unveränderte Zwecke zu erschließen, vorprogrammiert. Als geradezu gefährliche Drohung wird dabei den Offizialverteidigern des Hergebrachten erscheinen, daß der Gründsatz der Aufkommensneutralität so stringent durchgehalten wird. Alle jene, die traditionelle Denkmuster und Lösungspfade bevorzugen und sich nahezu ausschließlich der akribischen „Verbesserung” (irgendwann) einmal gefundener Modelle widmen, werden sich provoziert fühlen. Immerhin werden eingefahrene Schemata der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, insbesondere, was deren Extrapolation anlangt, deutlich in Frage gestellt.
Gerade weil sich inzwischen herumgesprochen haben sollte, daß es denknotwendigerweise ein unbegrenztes exponentielles Wachstum zu Lasten von (begrenzten) Ressourcen nicht geben kann, der mainstream der Wirtschaftspolitik meist auf eine bloße Affirmation der politischen Vorgaben zurückgedrängt wird, sind Butterwecks Lösungsansätze so wertvoll und notwendig.
Hierzu kommt noch, daß Butterwecks Nullsummenspiele sich nicht auf die monetäre Seite beschränken, sondern die sozialpolitischen Notwendigkeiten mit den nur-volkswirt-schaftlichen gleichrangig behandeln, also im eigentlichen Sinn des Wortes den Primat des Humanen vor den ihm dienenden Einrichtungen postulieren.
Die angeführten Lösungsansätze sind nicht der Stein der Weisen
In beeindruckender Form legt Butterweck das nichtbewältigte Problem der Fristentransformation unserer Gesellschaft insbesondere in ihrer wirtschaftlichen Dimension offen und vermittelt ungeschminkt den Zynismus derer, die unter menschlicher
Arbeit eine Residualgröße der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung verstehen.
Daß die im Buch dazu vorgestellten Lösungsansätze ein Stein der Weisen wären, behauptet sein Autor nicht, daß es die derzeit beschrittenen Wege allerdings keinesfalls sind, stellen steigende Arbeitslosenzahlen bei gleichzeitig wachsender Wirtschaft - unfreiwillig - unter Beweis: Mit erschreckender Kälte und ohne jede Berücksichtigung der sozialen oder der demokratiepolitischen „Neben”-Effekte wird nämlich in diesem Zusammenhang damit argumentiert, daß dieser Entwicklung eben nur mit einer unveränderten Fortsetzung des bisherigen Wachstumskurses zu begegnen sei, weil das Arbeitskräftepotential in den Industriestaaten noch mindestens bis zum Jahr 2010 und im „Rest der Welt” auf viele Jahrzehnte weiterwachsen werde.
Mag diese Verteidigung der Unverzichtbarkeit des exponentiellen
Wachstums auf den ersten Rlick auch den Eindruck einer dynamischen Argumentation vermitteln, so ist doch ihr zirkelschlußartiger - um nicht zu sagen strukturkonservativer - Charakter recht leicht sichtbar zu machen. Kombiniert man nämlich etwa die -richtige - Forderung nach einem höheren Pensionsantrittsalter mit der systemkonformen Notwendigkeit steigende Produktivität und dem demografischen Befund wachsender Bevölkerungen (sprich: eines wachsenden Arbeitskräftepotentiales), ergibt der Saldo eine absolute Zunahme der Beschäftigten bei gleichzeitiger Abnahme- der Beschäftigung (sprich: wachsender Arbeitslosigkeit), soferne man nicht bereit ist, eine aufkommensneutrale Umfinanzierung der sozialen Systeme mitzudenken. Und genau dieser Zusatzparameter wird von Butterweck nachdrücklich eingefordert.
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