6773208-1969_11_08.jpg
Digital In Arbeit

Politische Berichte im Fernsehen

Werbung
Werbung
Werbung

Zwischen der SPÖ und der Leitung des Rundfunks ist eine Polemik im Gange. Mehrere SP-Führer — darunter auch der Bürgermeister von Wien — erklären, daß ihre Partei in der Berichterstattung des Rundfunks derzeit zugunsten der ÖVP benachteiligt werde. Generalintendant Bacher benützte unlängst eine Fernsehsendung, um diese Behauptung verleumderisch zu nennen (was nicht sehr elegant war). Feststellen ließe sich der Sachverhalt nur durch viel Monitoring (lückenlose Aufnahme, Festhaltung und fein differenzierte statistische Auswertung) der Sendungen — ein Unternehmen, das enorm viel Mühe und Geld kosten würde. Somit können die Beschuldigungen der SPÖ derzeit kaum anderen als Pauschalcharakter haben — eine der Schwächen aller politischen Argumentation.

Auf die Gefahr hin, ebenfalls ein Verleumder genannt zu werden, kann ich mich jedoch nicht des Eindrucks erwehren, daß es ein Ubergewicht zugunsten der ÖVP im Rundfunk gibt — auch wenn dieser Eindruck nicht kontinuierlich, sondern nur auf einzelne Tage oder Sendungen beruhenden Wahrnehmungen entspringt. So waxr der Fernsehbericht über die Salzburger Landtagswahlkampagne in der vergangenen Woche ausschließlich der ÖVP gewidmet, und das weder auf ergiebige noch sehr geistreiche Weise durch Aufnahmen von einer Geselligkeitsvereinsveranstaltung, den üblichen Gesundbetungsinterviews mit dem Landeshauptmann und anderen Politikern und dergleichen. Worum es bei den Wahlen überhaupt geht (ich meine außer, daß jede Partei gern gewählt werden möchte), welche konkreten Aufgaben in Salzburg auf der Tagesordnung stehen, von alldem haben wir aber nichts durch die Sendung erfahren. Des weiteren erwies sich bei zwei hintereinander folgenden Uber-tragungen von je einer ÖVP- und einer SPÖ-Veranstaltung (dem ÖVP-Parteirat und der SPÖ-Humanprogramm-Beratung), daß der ersten weitaus mehr Zeit und Liebe eingeräumt wurde als der zweiten. Während in der ersten Übertragung Klaus, Withalm, Koren zu Worte kamen, begnügte man sich in der zweiten mit einem wenig ergiebigen Interview mit Hertha Firnberg. Die Aufnahme vom Auditorium waren in der ersten Übertragung eingehend und interessiert, in der zweiten flüchtig und gleichgültig. Man kann diese Beurteilung impressionistisch motiviert bezeichnen — gerade darauf kommt es aber nur zu oft bei solchen Sendungen an: auf den Eindruck, den sie hervorrufen. Weit mehr aber als auf die Erzeugung von Sympathie oder Indifferenz käme es auf anderes an. Der naive Staatsbürger und Fernseher ist des Personen- und Parteienkults in den politischen Sendungen müde. Ihm kommt es bald gar nicht mehr so sehr darauf an, wer gewählt wird, als zu erfahren, was überhaupt los ist. Ihn interessieren weder die Pfauentänze der Parteihäupter noch die oft so kindischen gegenseitigen Anwürfe und die Apodiktik der Politiker; er möchte weit eher die Leistungen und Aufgaben kennenlernen, die er von ihnen fordern soll. Manchesmal hilft ihm der Rundfunk dabei, aber es ist noch nicht dessen vorherrschender Stil. In diesem Zusammenhang steht auch, daß das Übergewicht der ÖVP nicht etwa durch die Darstellung von Maßnahmen wie überhaupt der gesamten Tätigkeit der Regierung entsteht, was an sich normal und angebracht wäre. Wer an der Macht ist, genießt den Vorteil, die Realität des Handelns für sich in Anspruch nehmen zu können. Die Opposition kann nichts anderes tun, als Kritik üben und sagen, was und wie sie es machen würde. Das muß gar nicht so hoffnungs- und wirkungslos sein, wenn es mit genügend Phantasie, Witz und Beredsamkeit geschieht. Merkwürdigerweise tritt die Regierungsmehrheit bei uns jedoch weniger durch die Tätigkeit ihrer Ressorts auf denn als Parteileute und Konkurrenten der Opposition. Das Fazit: All das läßt uns so unbefriedigt wie jemanden, dem man an Stelle von Nahrung nur ihre Verpackung bietet.

P. S. Ehe noch dieser Artikel in Satz geht, gemahnt uns die Wahrheit festzustellen, daß das Fernsehen am Montag eine Sendung über den Anteil der FPÖ an der Salzburger Landtagswahlkampagne gebracht hat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung