Brauchen wir Feindbilder?

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Die Furche-Herausgeber

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Islam statt #daham#: Ich war auf Vortragstour, Thema #Wir und der Islam#. Ein brisanter Zeitpunkt: Genau zwischen der Steiermark- und der Wiener Wahl, zwischen Anti-Minarett-Spiel und Türken-Comic. Auch zwischen letzten Rettungsversuchen für die Nahost-Friedensverhandlungen und neuen Terrordrohungen.

Unglaublich, welchen Stellenwert das Thema hierorts bekommen hat # und wie viele Österreicher sich persönlich betroffen fühlen. Sogar dort, wo Muslime als verschreckte Minderheit kaum öffentlich sichtbar werden.

Dünne Schicht des guten Willens

Was mir aufgefallen ist: Im christlich geprägten Milieu wird zumindest die Anstrengung spürbar, Muslimen mehr Respekt, guten Willen und Mitmenschlichkeit entgegenzubringen. Aber selbst dort ist es nur eine dünne Teflonschicht, unter der sich rasch Argwohn und Angst zeigt # vor allem aber Unwissen. Eine gefährliche Ahnungslosigkeit über den jeweils anderen liegt über den Lebens- und Glaubenswelten der zwei größten Religionsgemeinschaften # und stützt den lauernden Rückfall in erprobte Stereotypen. Auf beiden Seiten.

Gelernt habe ich auch: Wer um Verständnis werbend unterwegs ist, muss sich nicht nur gegen Kritik wappnen, sondern auch vor Lob hüten. Sobald anwesende Muslime meinen Versuch von Fairness erwähnten, wuchs Verdacht gegen mich: Hier spricht ein naiver Gutmensch.

Auf dem Heimweg waren die Fragezeichen größer als zuvor: Braucht unsere Gesellschaft am Ende den Zement gemeinsamer Feindbilder? Ist uns die #islamische Gefahr# gerade dann beherrschend geworden, als die #rote Gefahr# des Kommunismus endlich überwunden war? Hat uns das Kopftuch bei einer ganzen Generation von Putzfrauen weniger gestört als bei ersten muslimischen Bürokolleginnen? Und: Zahlen die Muslime vielleicht auch den Preis dafür, einem zunehmend glaubenslosen Europa die Frage nach Gott neu aufzudrängen?

Sicher ist # leider: Bald zehn Jahre nach dem 11. September ist die nüchtern-ehrliche Reflexion des Ist-Zustands # also Kritik und Selbstkritik # hier wie dort vorbei und vergessen. So es sie je gegeben hat. Und auch die so überfällige Emanzipation Europas von der Nahost- und Islampolitik der USA (#Allianz gegen den Terror#) steckt noch immer in den Anfängen # auch medial.

Die Dialoge der Dialog-Bereiten

Gewachsen ist zuletzt auch meine Skepsis gegenüber den fast zahllosen Kultur- und Religionsdialogen in aller Welt. Ich fürchte: Von Ausnahmen abgesehen, treffen nur jene zusammen, die keinen Dialog bräuchten.

Was fehlt, ist das offene, kritische, aber respektvolle Gespräch gerade jener, die einander misstrauen. Und vor allem unsere eigenen kleinen Gesten des Alltags # im Reden und Handeln. Oft würde es ja schon genügen, sich in die Gefühle der anderen hineinzuversetzen.

Die Soziologie sagt uns: Feindbilder lindern soziale Frustrationen, befriedigen den Wunsch nach einfachen Welterklärungen und heben das Selbstwertgefühl. Ob es stimmt, werden wir an diesem Sonntagabend noch besser wissen.

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