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Die Seebeherrscherin legt die Rüstung ab

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Seit den Tagen Walter Raleighs und Francis Drakes ist die britische Flotte das wichtigste Machtinstrument Englands, die Klammer, welche das geschaffene Weltreich zusammenhält. Heemsksrck und de Ruyter sind an der Härte und Seetüchtigkeit dieser Wikinger- und Normannenenkel ebenso gescheitert wie die Nachfahren der ruhmvollen Albuquerque, Medina Sidonia, Jean Bart und Duguay-Trouin. Während die Kontinentalmächte in jahrhundertelangem Ringen um immer die gleichen Landstriche am Rhein, in Flandern und am Po ihre Kräfte verzehrten, wuchsen die „Herrschaften jenseits der Meere“, wie sie der Titel des englischen Königs so eindrudvsvoll benennt, bis jeder vierte Mensch auf der Erde Lhnertan Seiner britischen Majestät war. Zu dem Viertel des Festlandes der Welt, das England beherrschte, konnte man auch noch die immensen Weiten der Ozeane zählen, die im Kriege kein Schiff durchfurchen durfte, das nicht dem Union Jack Ehre erwies.

Das späte neunzehnte Jahrhundert brachte ein Erstarken mehrerer europäischer, später der amerikanischen Flotte. England mußte den Alleinherrschaftsbegriff einschränken und ging zum „Zwei-Mächte-Standard“ über: die Admiralität erstellte ihre Bauprogramme nach dem Grundsatz, daß die britische Flotte stets den beiden' nächststärksten fremden Flotten zusammen überlegen bleiben müsse. Erst nach dem ersten Weltkrieg, auf der Washingtoner Konferenz, gestand Großbritannien den Vereinigten Staaten vertraglich die Flottenparität zu. Im Jahre 1914 hatte die Homefleet eine wahrhaft imposante Stärke: eine Armada von 29 Schlachtschiffen, 5 Schlachtkreuzern, 25 Kreuzern, 160 Zerstörern, 23 Torpedobooten und 47 Unterseebooteni lag in den heimischen Gewässern. Noch »1939 waren es 7 Schlachtschiffe, 2 Flugzeugträger,

5 Kreuzer, 29 Zerstörer und 7 Unterseeboote, y

Während die Aussichten auf eine endliche Befriedung der Welt noch nebelhaft erscheinen und der Zustand, den man Frieden nennt, manchmal dem Kriege zu gleichen sdieint, hat der britische Schatzkanzler Dalton drastische Einschränkungen der Flotte verfügt, die als „doppelte Demobilisierung“ bezeichnet werden. Gruppenweise, fest aneinandergeschlossen, liegen in den britischen Häfen die Schiffseinheiten auf, die im letzten Krieg die Lebensadern Englands geschützt haben. Die Geschütze sind hinter Aufbauten aus Latten und Netzwerk, die zum Schutz gegen die Witterung mit einer Lateximprägnierung übergössen werden, verborgen. Der in See bleibende Rest -ist verschwindend gering. Wichtige Auslandsstationen werden nur mit Schattenflottillen besetzt und für eine längere Übergangszeit sinkt der aktionsbereite Stand der Heimatflotte auf sage und schreibe einen Kreuzer und vier Zerstörer. Winston Churchill hat dagegen seine warnende Stimme erhoben, und es gehört das in vielen siegreichen Kriegen bewährte Selbstvertrauen Englands dazu, solches zu wagen. Ein kühner Anruf ah die Welt — nicht in „para bellum“, sondern nach diesem britischen Beispiel den Frieden zu bereiten!

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