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Abneigung gegen autonome Region

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Es ist verständlich, daß in Italien als jüngstem europäischen nationalen Einheitsstaat, von nationalen Kreisen mit einem starren politischen und administrativen Zentralismus gleichgesetzt, jedes Abweichen von dieser Norm als gotteslästerlich empfunden wird. Nur den Gemeinden und Provinzen werden lokale Autonomien zuerkannt. Daher die Abneigung gegen die neue „autonome Region“, die unter Umständen die slowenische Minderheit mehr zu Worte kommen lassen könnte, als es heute noch der Fall ist — dies einer der mehr oder weniger offenkundigen Hintergedanken. Italien und Jugoslawien pflegen seif den letzten Jahren die besten freundnachbarlichen Beziehungen. Die wirtschaftlich eher katastrophale Lage Jugoslawiens brachte es mit sich, daß Italien an die 45 Milliarden Lire im Nachbarland investierte — die neue Region könnte diesen stillen Pakt innenpolitisch besiegeln. Dies löst nun ein gewisses Unbehagen in Triest aus — denn kann man wissen, wie sich das in Zukunft auswirken könnte?

: Und wie sollte'unter solchen Umals EWG-Hafen gerecht werden können? Man hat in Rom meist taube Ohren gehabt, wenn Triest seine Sonderwünsche und -belange daselbst anzumelden versuchte.

Triest erhofft sich — so heißt es — einen Sonderstatus innerhalb der neuen Region, eine Art eigene Autonomie im Rahmen der regionalen Autonomie, eine Erwartung, die an Südtiroler Verhältnisse gemahnt. Seltsam, daß diese Zusammenhänge so wenig anerkannt werden. Um so entwaffnender, ja nicht geringe Verlegenheit verursachend sind spontane Eröffnungen von Seiten loyal italienisch gesinnter Triestiner üb/r die enttäuschenden Einbußen Triests seit dem Wiederanschluß an Italien 1954 — ein Südtiroler dürfte kaum solch staatslästerliche Dinge ungestraft behaupten. Gewiß, man war seinerzeit gegen den Triester Freistaat, weil man täglich befürchten zu müssen glaubte, daß Titos Mannen über Nacht in die Stadt eindringen könnten, um sie an sich zu reißen — mithin erwartete man sich von den vereinten angloameri-kanischen Streitkräften und der UNO-Diplomatie damals weniger als heute vom italienischen Staat als Schutzherr der Stadt. Zwar wird das dräuende Gespenst der Slowenisierung Triests als Menetekel an die Wand gemalt— allein di*i:'waltr^ Nutznießer dürften eher die lokalen Kommunisten sein, die, wie einst nach dem Abfallr Titos1 von Moskau, auch heute wieder die ausgegebene Parole — diesmal Schaffung der Region Friaul-Julisch-Venetien — mit ihrem Stillschweigen billigen.

Adhemar de Barros spielte erfolgreich den „Mann des Volkes“; er protestierte, als man ihn bei einem Wahlakt als den „geliebten Alten mit den im Dienst des Volkes ergrauten Haaren“ (bei 63 Jahren) ankündigte und meinte, daß Dr. Adenauer und de Gaulle älter seien. Er konnte auch auf Hospitäler, Rettungsstellen, Kinderparks usw. hinweisen, die er in Sao Paulo als Oberbürgermeister und Gouverneur geschaffen hatte. „Stiehl — aber handle!“ — war jahrzehntelang der Slogan seiner Anhänger. Quadros nannte ihn im vorigen Wahlkampf einen „gewöhnlichen Dieb“, er hat die „Caixinha“ erfunden, eine Bestechungsabgabe für geheimes Glücksspiel. Vor einigen Jahren tauchte er in Uruguay auf. Er mußte auf einige Monate aus Sao Paulo verschwinden, bis eine Strafsache „beigelegt“ war. Er hatte 30 Kraftwagen mit dem Geld der Stadt gekauft und für die eigene Tasche „verkauft“. Barros hat jetzt Quadros geschlagen und Bonifacio vernichtend besiegt. „O Estado do S. Paulo“ nennt es paradox, daß es Quadros erst gelungen sei, in seiner Person „den ganzen Abscheu der Paulistaner gegen die Unordnung, die Korruption und die administrative Unordnung zu verkörpern“, um jetzt von Barros geschlagen zu werden, „dem Abenteurer, der das Spiegelbild von Korruption und Amo-ralität ist“.

Die Kommunisten unterstützten nur einige Kandidaten und gaben sonst die Weisung aus, weiße Stimmzettel abzugeben. Ihr Einfluß läßt sich noch nicht übersehen, wenn auch die Presse von 10 bis 15 Prozent spricht. Der „brasilianische Fidel Castro“, Dr. Francisco Juliao, der Initiator der „Bauernlegen“ im nordöstlichen Hungergebiet, erklärte, es dürfe keine weiteren „kommerziellen Wahlen“ geben, bei denen Stimmen verkauft würden und die Analphabeten (etwa 70 Prozent der Bevölkerung) vom Wahlrecht ausgeschlossen blieben. Verfassungsänderung

Die erste bevorstehende „Reform“ betrifft weder die Agrar- noch die Wahlprobleme, sondern die Rück-änderung der Verfassung. Durch eine Volksabstimmung die auf den 6. Jänner 1963 anberaumt ist, soll der Bundespräsident statt der nur repräsentativen Rechte wieder die der Exekutive erhalten. (Wenn der Vergleich gestattet ist: statt der Rechte des deutschen die des nordamerikanischen Präsidenten.) Doch sind Bestrebungen im Gange, die Verfassungsänderung durch Parlamentsbeschluß statt durch Plebiszit durchzuführen. Nur die konservative UDN, die im bisherigen Parlament die Mehrheit hatte, widersetzte sich, ist aber nach dem Wahlausgang jetzt auch zu dieser Lösung bereit.

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